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Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
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ihm nach.
    »Was fällt diesem Typen eigentlich ein, hier den Ton angeben zu wollen?«
    Andrea versuchte, ihn zu besänftigen, indem sie ihre Hand auf seinen Arm legte. Sie mussten zusammenhalten, nur dann hatten sie eine realistische Chance, diesem Gebirge und den Verfolgern zu entkommen.
    Sie stapften im Gänsemarsch hintereinander her. Hans ging voran, Imarika folgte ihm in kurzem Abstand. Andrea ging direkt vor Tom, und hinter ihm kam Peter, der die Gegend ein wenig kannte und von seiner Position aus immer Ausschau nach den Rebellen hielt. Hunger machte sich in Toms Magen unangenehm bemerkbar. Sie hatten zuletzt vor zwei Tagen etwas gegessen, im Lager der Rebellen, und das war nicht viel gewesen. Die kräftezehrende Flucht erforderte eigentlich deutlich mehr Kohlenhydrate und Eiweiß, aber sie hatten in den letzten Tagen nichts entdeckt, was sie hätten essen können. Hin und wieder kamen sie an einem Brombeerstrauch vorbei, dessen Früchte sich gerade erst tiefschwarz färbten. Aber sie reichten niemals aus, um ihre Mägen auch nur ansatzweise zu füllen. Einmal hatte Tom einen Baumschliefer entdeckt, ein Säugetier in der Größe eines Kaninchens, der durch das Geäst eines kleinen Busches gehuscht war, doch er war so schnell wieder verschwunden, dass er ihn nicht hatte fangen können. Immerhin gab es in dieser Gegend genug Wasser.
    Während sie am Tag zuvor mehr oder weniger auf gleichbleibender Höhe gewandert waren, ging es nun wieder aufwärts. Toms Beine schmerzten, immer wieder musste er stehenbleiben, um sich auszuruhen, und jedes Mal drängte Peter bald wieder zum Aufbruch. Der Guide blickte ständig in die Richtung, aus der sie kamen. Erneut zog dichter Nebel auf, der die Sicht schnell auf wenige Meter verringerte.
    Tom konnte Andrea gerade noch vor sich erkennen, Hans, Imarika und Peter tauchten nur gelegentlich aus dem Dunst auf. Die Luft stand still. Außer seinem hechelnden Atem und den schmatzenden Geräuschen, die seine Stiefel bei jedem Schritt auf dem schlammigen Boden machten, konnte Tom nichts hören.
    Kein Vogel schrie, kein Laub raschelte, kein Bach gluckerte. Die ständige Kälte hatte jedes Gefühl in seinen Fingerspitzen absterben lassen, seine Haare hingen ihm fettig und klebrig ins Gesicht. Die Gummistiefel hielten zwar dicht, doch mit jedem Schritt arbeitete sich über die verschlammte Hose kalter Dreck zu seinen Füßen vor, der Blasen verursachte. Die Socken waren feucht, schon seit Tagen. Zugleich rann ihm Schweiß den Rücken hinunter – das abstruse Wechselspiel von Schwitzen und Frieren schien kein Ende nehmen zu wollen. Manchmal dachte Tom daran, aufzugeben, doch jedes Mal raffte er sich wieder auf. Er wollte diese Hölle verlassen, gemeinsam mit Andrea. Irgendwie würden sie es schaffen. Zusammen musste ihnen das einfach gelingen. Der Hunger wandelte sich in eine fast schon wohltuende Leere in seinem Bauch.
    Sonnenstrahlen kämpften sich ihren Weg durch den Nebel, erreichten den Boden jedoch nicht. Harte Gräser säumten ihren Weg, die ewig stummen Strünke der Senezien schoben sich wie Geister an ihm vorbei, sie wurden beinahe zu Freunden in der Fremde. An einigen Stellen war die Erde gefroren. Kleine Büsche bedeckten hier und da den Boden und unterbrachen das orangefarbene Moos. Wie in Trance setzte Tom einen Schritt vor den anderen. In seinem Kopf drehte es sich, die Kopfschmerzen kehrten zurück, erst nur leicht, aber mit jedem Meter, den er höher hinauf in diese Berge stieg, nahmen sie zu.
    Er sah aus den Augenwinkeln einen Schatten links neben sich. Vielleicht suchte einer der anderen etwas abseits einen besser begehbaren Weg. Den es hier sicherlich nicht gab. Eine Stimme. Irgendwo in seinem Kopf. Weitergehen, nicht stehen bleiben. Tom blickte nach vorne. Er konnte niemanden sehen. Wo war Andrea? Er stockte, wandte sich um. Auch hinter ihm war niemand. Neben ihm die Gestalt. Der Junge stand dort, fixierte ihn, rief ihm etwas zu, was Tom nicht verstand. Rief ihn sein Vater gerade zu sich? Brauchte er Hilfe? Tom schüttelte den Kopf und stapfte weiter. Das musste der Hunger sein. Die Erschöpfung. Eine Halluzination. Mehr nicht. Er schaute zur Seite. Der Junge war weiterhin da, ging drei, vier Meter neben ihm im Nebel, sah ihn an, sprach mit ihm, doch Tom verstand ihn nicht. Tom sehnte sich nach seinem Vater. Er blieb stehen. Der Junge war durchscheinend, ungreifbar, unbegreiflich.
    Schwindel verwirrte seine Gedanken. Sein Vater lag schwer krank im Bett in Deutschland.

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