Mondberge - Ein Afrika-Thriller
blickte sich suchend um, hob ein paar der Trümmer auf. Ihre über Jahre gespeicherte Kälte fuhr ihm sofort in die Haut und er ließ sie schnell wieder fallen. »Wer hat ein Interesse daran, dass Hilfsgüter nicht in den Kongo geflogen werden?«
»Vielleicht wollte jemand die Hilfsgüter stehlen und verkaufen?«, vermutete Andrea.
»Nein, als das Rescue-Team hier ankam, war alles noch da.«
»Vielleicht ist noch etwas anderes in dem Flieger gewesen, was nicht über die Grenze gelangen sollte.«
Tom sah den Guide an.
»Was sollte das sein?«
»Informationen. Schmuggelware. Menschen. Waffen. Es gibt viele Möglichkeiten.«
»Darüber sollten wir uns jetzt keine Gedanken machen. Wir müssen weiter. Lasst uns nachsehen, ob wir in den Trümmern noch irgendetwas finden, was uns hilft, und dann los. Im Schnee hinterlassen wir mehr als deutliche Spuren.«
Sie verteilten sich, um die Wrackteile zu untersuchen. Tom konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und hatte auch nicht viel Hoffnung, dass sie in irgendeiner Form fündig werden könnten. Aber die Überraschung über den Flugzeugfund hatte seine schwindenden Kräfte noch einmal aufgeputscht. Nun traten dafür die mittlerweile vertrauten Symptome umso deutlicher zutage. Pochende Kopfschmerzen. Gallige Übelkeit. Schwindel und Atemnot. Sein Puls raste. Wie sollte er das hier überstehen? Peter hatte ihm geraten, seinen Vater anzusprechen. Das war absurd. Aber was konnte er schon verlieren? Also konzentrierte er sich auf das Bild seines jugendlichen Vaters, das er im Kopf hatte. In Gedanken rief er ihn leise beim Namen. Doch nichts geschah. Wütend trat Tom gegen eines der Trümmerteile, wofür sich sein großer Zeh mit einem tumben Schmerz bedankte. Das alles war absurd und lächerlich.
Unter dem Wrackteil, das er mit dem Fuß weggestoßen hatte, kam eine zerbrochene Holzfigur zum Vorschein. Ein kleiner geschnitzter Gorilla. Ächzend beugte er sich hinunter und hob sie auf. Er hatte diese Figur schon einmal gesehen. Aber wo? Als er sich aufrichtete, hämmerten die Kopfschmerzen urplötzlich mit doppelter Macht. Er stöhnte auf. Andrea trat auf ihn zu.
»Hast du etwas gefunden?«
Auch die anderen kamen näher. Tom hielt Andrea gerade die halbe Figur entgegen, als Hans neben ihr erschien. Er zog mit einem deutlich vernehmbaren Zischen die Luft zwischen den Zähnen ein. Augenblicklich wurde er von einem keuchenden Husten geschüttelt.
»Was ist? Kennst du diese Figur?«, fragte Tom.
Doch Hans starrte nur wie gebannt auf Toms ausgestreckte Hand, während er seinen Atem allmählich wieder unter Kontrolle brachte. Dann nahm er die kaputte Figur und drehte sie hin und her.
»Das kann nicht wahr sein«, keuchte er.
Erstaunt wandte Tom sich ihm zu: »Weißt du, was das ist?«
»Das ist ein Talisman. Also eigentlich ist es ein billiges Touristen-Souvenir.« Tom beäugte ihn kritisch.
Hans schien ernsthaft verwirrt und überrascht zu sein.
»Woher weißt du das?«, wollte Tom wissen.
»Weil er selber eine solche Figur hatte«, mischte sich Andrea ein, nahm die Figur in die Hand, steckte ihre andere Hand in die Hosentasche und beförderte einen Gegenstand hervor, den sie neben die halbe Figur auf ihrer Handfläche legte. Die kleine Figur, die sie Tage zuvor in Kilembe vor ihrem Zimmer gefunden hatte. Die beiden Gorillas glichen sich wie eineiige Zwillinge. Abgesehen davon, dass die jetzt gefundene Figur in der Mitte zerbrochen war.
»Oh!«, entfuhr es Tom. »Ist das also deine?«, fragte er Hans sofort.
»Nein. Von diesen Gorillas gibt es Tausende. Das ist reiner Zufall.«
Hans wandte sich um. Er setzte den Weg den Hang hinauf fort. Imarika folgte ihm.
»Stopp!«, rief Tom ihm nach, obwohl sich in diesem Moment erneut alles zu drehen begann. »Du musst uns das erklären!« Aber Hans ließ sich nicht aufhalten. Er reagierte nicht und ging weiter.
»Lass ihn. Er wird es schon noch erzählen«, sagte Andrea sanft.
Tom war wütend, ihm war schlecht und er war vollkommen entnervt. Beim nächsten Schritt trat er in eine Pfütze, glitt aus und stürzte vom Schnee gedämpft auf die harte Eisfläche. Als er versuchte, sich aufzurichten rutschte er wieder ab und schlitterte auf dem Eis des Gletschers den Hang hinab erst langsam, dann immer schneller. Er taumelte, drehte sich um sich selbst, schob den frischen Schnee vor sich her wie ein Schneepflug. Er prallte an der Eiskante auf Steine, die sich wie stumpfe Speere in seinen Körper bohrten. Verzweifelt versuchte er,
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