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Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
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irgendwo Halt zu finden, doch es war aussichtslos. In diesem Moment traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz: die Gestalt, der Junge.
    Es war nicht sein Vater.
    Das war sein Bruder.
    »Jens!« Er schrie den Namen gellend, während er weiterhin mit den Händen nach einem Halt tastete. »Jens!« Er landete hart an einem großen Felsen, der seine Talfahrt abrupt stoppte. »Jens«, wimmerte er nun noch einmal, leiser. Liebevoller. Wie hatte er das übersehen können?
    Alles tat ihm weh, jede Stelle seines Körpers fühlte sich geschunden an. Eine gährende Übelkeit und das Hämmern in seinem Kopf schienen sein Hirn zum Bersten zu bringen. Tom legte die Hände vor sein Gesicht. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so verzweifelt gefühlt.
    Doch. Ein einziges Mal. Damals, als er pitschnass am Ufer des schwedischen Flusses gesessen hatte, der kurz zuvor seinen Bruder mitgerissen hatte. Auch da hatte er sich gefühlt, als würde er sterben.
    »Tom, ist alles in Ordnung?« Peter sprang mit großen Schritten auf ihn zu. »Hast du dich verletzt?«
    Mühsam nahm Tom die Hände vom Gesicht und hob den Kopf, um Peter anzusehen. Was hatte Peter gefragt?
    »Tom!« Peter hockte sich neben ihn. »Bist du verletzt?«
    Nur ganz langsam sickerte die Frage in Toms Bewusstsein. War er verletzt? Er wusste keine Antwort auf diese Frage. Nicht nur, weil er seinen Körper kaum noch spürte, sondern auch, weil er einfach nicht wusste, welche Antworten in Frage kamen. Er versuchte Peter zu fixieren, doch immer wieder verschwamm dessen Gesicht vor seinen Augen. Die Welt um ihn herum schien zusammenzustürzen. In seinem rechten Arm begann es zu kribbeln. Langsam wanderte dieses Gefühl von seinen Fingern kommend über das Handgelenk in den Unterarm. Er wollte es stoppen, konnte jedoch kaum noch mit der linken Hand nach der rechten greifen. Erschöpft ließ er sich zurückfallen.
    Durch den Schleier, der ihn umgab, nahm er vage das Gesicht von Andrea wahr, das mit ängstlichen Augen über ihm auftauchte. Peter sagte etwas, das Tom nicht verstand. Alles wurde dumpf, er verlor jedes Gefühl auf seiner Haut. Er hörte die anderen miteinander sprechen, konnte sich den Sinn ihrer Worte allerdings nicht mehr erschließen. Auch ihre Gesichter konnte er nicht mehr auseinanderhalten.
    Er spürte, dass ihn jemand hochzog. Er strengte sich an, die Bewegung zu unterstützen. Übelkeit raste ihm aus dem Magen die Speiseröhre hinauf. Er erbrach sich. Für einen Moment nahm er seine Umwelt etwas klarer wahr.
    »Was hast du vorhin gerufen?«, fragte Peter ihn jetzt. »Das klang wie ein Name.«
    Obwohl Toms Mund völlig ausgetrocknet war, bemühte er sich, ein paar Worte zu formulieren:
    »Der Junge«, stammelte er. »Ich habe die ganze Zeit meinen Bruder gesehen.«
    »Du hast nach ihm gerufen?«
    »Ja.«
    »Dann wird er dir helfen. Wir müssen sofort weiter. Die Rebellen wissen jetzt sicher genau, wo wir sind.«
    Gemeinsam halfen sie Tom auf die Füße. Peter war bei ihm. Und Andrea auch. Er lächelte. »Andrea.« Seine Stimme war matt.
    »Ja?«, antwortete sie ihm. »Tom, was ist? Kann ich irgendetwas für dich tun?« Ihr Gesicht erschien vor seinen Augen. »Tom, hörst du mich?«
    »Ja.«
    »Was soll ich tun?«
    »Da sein.« Er spürte, wie sich ein warmes Gefühl in seinem Bauch ausbreitete. Er lächelte. Und das Gesicht vor ihm lächelte auch für einen kurzen Moment.
    Gestützt von Peter kletterte er an der Kante des Gletschers hinauf. Nach einigen unendlich erscheinenden Minuten erreichten sie Hans und Imarika, die wegen des schlechten Wetters nicht gesehen hatten, was geschehen war. Schritt für Schritt schleppten sie sich den Berg weiter hinauf. Peter trug Tom beinahe, schleifte ihn hinter sich her und trotzte des eisigen Windes. Ständig in der Furcht, hinter sich die Rebellen auftauchen zu hören. Der Boden wurde glatter und steiler.
    Toms Muskeln gaben ihren letzten Widerstand auf. Er sackte in den tiefen Schnee. Wo war sein Bruder? Was wollte er? Wie hatte Tom ihn nur vergessen können? Tränen drangen aus seinen Augen, liefen in seinen Bart, erstarrten zu Eis.
    Der Geist seines Bruders war nicht zurückgekehrt. Je länger die Begegnung hinter ihm lag, desto mehr zweifelte er daran, dass sie überhaupt geschehen war. Peter packte ihn fester und schleppte ihn den Berg hinauf. Peter war real. Auf ihn konnte Tom sich verlassen.
    »Warum tust du das?«, murmelte Tom.
    Peter hielt für einen Moment erschrocken inne. Tom rang nach Luft. »Du könntest jetzt

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