Mondberge - Ein Afrika-Thriller
einer der Drahtzieher. Und er, Sven Wiese, Leiter des Krisenreaktionszentrums, hatte keinen blassen Schimmer.
»Haben Sie die Nummer notiert?«, fragte er seine Kollegin unwirsch. Sie nickte und verschwand in Richtung Faxgerät.
Wiese wandte sich den anderen zu und berichtete von dem Anruf. Huber starrte ihn entgeistert an. Der Generalbundesanwalt zog ein besticktes Taschentuch aus seiner Westentasche, um sich damit die Stirn trocken zu tupfen. Okot Kiguli ergriff das Wort. Der Botschafter versprach die größtmögliche Unterstützung seiner Regierung bei der Befreiung der Geiseln. Aber er machte auch darauf aufmerksam, dass die Strukturen in Afrika anders seien als in Europa. Die Macht der Rebellen in Zaire sei immer noch groß. Wiese wusste das alles und wollte ihn gerade unterbrechen, als Anja wieder neben ihm erschien. Er sah ihren besorgten Gesichtsausdruck.
»Was ist?« fragte er leise.
»Ich muss Ihnen etwas zeigen«, antwortete sie. Dann schob sie ihm ein Fax zu. »Die Teilnehmerliste der Reisegruppe ist gerade aus Kampala gekommen.«
»Und was ist damit?«
»Schauen Sie selbst«, antwortete sie und wies auf das Fax.
Er überflog die Liste, ohne zu verstehen, was sie meinte. Doch dann blieb er an einem Namen hängen. Verdammter Mist! Jetzt verstand er, warum hier so ein Aufgebot an hochrangigen Würdenträgern saß. Und er begann zu ahnen, warum Bernard Kayibanda so zufrieden geklungen hatte.
31
Ruwenzori, 16. Juni
Tom erwachte völlig durchgefroren. In der Höhle waren die vier Entflohenen zwar vor dem schneidend kalten Wind geschützt, doch die Temperatur lag höchstens um null Grad. Der Himmel war nach wie vor dunkel, nur ein schmaler Schein am Horizont kündigte den nahenden Tag an. Andrea, Hans und Imarika schliefen noch zusammengekauert an der Felswand. Vorsichtig erhob sich Tom. Seine Kopfschmerzen waren fast vollständig verschwunden, nur ein leichter Schwindel hielt sich hartnäckig. Ganz langsam tastete er sich bis an den Ausgang der Höhle vor. Unter ihm leuchtete das satte Grün bereits in der schnell heller werdenden Umgebung. Er überlegte, aus welcher Richtung sie in der Nacht gekommen waren. Dem Sonnenstand nach waren sie ziemlich genau nach Süden gelaufen. Im Westen lag der Kongo. Im Norden lauerten die Rebellen. Und im Osten erhob sich der unüberwindliche riesige Mount Baker, einer der höchsten Gipfel des Ruwenzori.
»Kannst du irgendetwas entdecken?«, fragte Andrea, als sie neben ihn kroch. Er wandte sich zu ihr um und legte den Zeigefinger auf die Lippen. Niemand wusste, ob die Rebellen nicht oberhalb von ihnen an der Kante des Abhangs kampierten.
»Nein, und es scheint alles ruhig zu sein«, flüsterte er. »Aber wir müssen sehr vorsichtig sein. Sie werden uns sicherlich weiter suchen.«
Hans schlich von hinten an sie heran.
»Und was machen wir nun?«, fragte Andrea.
»Wir gehen nach Süden«, schlug Tom vor.
»Der Weg liegt im Osten«, widersprach Hans. »Diese Richtung müssen wir einschlagen.«
»Genau dort werden sie uns erwarten. Darauf kannst du Gift nehmen.«
»Nach Süden zu gehen ist völliger Schwachsinn. Da werden wir uns verirren«, schimpfte Hans.
»Irgendwo dort muss sich der Kilembe-Trail befinden. Wir werden sicherlich schnell auf Hilfe stoßen.«
»Kennst du den Weg dorthin?«, fragte Hans wütend. »Wir haben keine Karte, niemand von uns kennt sich hier aus, wir können uns nur am Sonnenstand orientieren. Und du willst noch tiefer in dieses Gebirge rein?« Hans sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Ach, jetzt verstehe ich. Du hattest ja von Anfang vor, den Kilembe-Trail zu gehen. Du willst deinen Plan um jeden Preis umsetzen, auch jetzt noch? Du bist ja wahnsinnig.«
»Süden ist die einzige Richtung, die Sinn macht«, blaffte Tom zurück. »Außerdem habe ich eine Karte.«
Er fischte seine mittlerweile vollkommen zerfledderte Zeichnung aus den Tiefen einer seiner Hosentaschen.
»Du suchst da unten nach etwas, habe ich recht? Und jetzt sollen wir unser Leben aufs Spiel setzen und mitkommen?« wollte Hans wissen.
»Niemand wird dich zwingen. Du kannst gerne nach Osten gehen und die Scheißkerle von mir grüßen.« Tom wandte Andrea den Blick zu. »Was ist mit dir?«
Andrea schaute zu Imarika: »Du kennst dich doch hier am ehesten aus – was sagst du?«
Imarika schwieg zunächst, sah kurz auf Toms Karte und nickte ihm dann stumm mit dem Kopf zu.
»Also gut«, fasste Andrea zusammen, »wir drei werden nach Süden gehen. Und du
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