Mondberge - Ein Afrika-Thriller
die Verabschiedung eines Gesetzes, demzufolge Homosexualität unter Todesstrafe gestellt werden sollte. In letzter Konsequenz brachte der seit 1986 auf seinem Sessel sitzende Präsident Yoweri Museveni das Gesetz nicht ins Parlament ein. Ansonsten wenige besondere Vorkommnisse in der letzten Zeit. Ein neuerliches Telefonat mit dem Botschafter brachte auch keine weiteren Erkenntnisse. Alles blieb weiterhin mysteriös.
Ein Mitarbeiter des BND, der schon die ganze Zeit unruhig auf seinem Sessel hin und her gerutscht war, rückte dann endlich mit den entscheidenden Informationen heraus. Auf kongolesischer Seite an der Grenze zu Uganda sei es in den letzten Monaten vermehrt zu grenzüberschreitenden Übergriffen gekommen. Überfälle auf Dörfer und verstärkte Aktivitäten der ALR. Hier wurde Wiese hellhörig.
»Ist die ALR nicht längst weiter nach Norden abgewandert?«
»Davon gehen wir im Moment aus«, antwortete der BND-Kollege. »Aber im Grunde ist es vorstellbar, dass sie versuchen, auch die Landstriche im Süden wieder in ihre Gewalt zu bringen, um die Brücke nach Ruanda nicht zu verlieren.«
»Mich wundert aber, dass sie über die Grenze nach Uganda kommen. Zumindest in der Region des Ruwenzori. Das ergibt doch keinen Sinn.«
Jetzt mischte sich auch Huber ein: »Was ist denn die ALR?«
Während der BND-Kollege Huber über die Zusammenhänge aufklärte, dachte Wiese angestrengt nach. Er erinnerte sich an einen Zeitungsartikel, den er vor wenigen Tagen gelesen hatte.
»Der angebliche Präsident der ALR befindet sich in Deutschland«, berichtete Wiese. »Ihm wird gerade der Prozess vor dem Oberlandesgericht in Hamburg gemacht, wo er in U-Haft sitzt. Die Bundesanwalt schaft klagt ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an.«
Wieder öffnete sich die Tür des Konferenzraums, und diesmal konnte Wiese seine Überraschung nicht verbergen. Der Generalbundesanwalt der Bundesrepublik Deutschland persönlich trat ein. Johannes Nikolaus Freiherr von Schellenburg, eingesetzt in sein Amt, weil er in der richtigen Partei war, schob seinen gewichtigen Körper durch den Raum wie ein Kreuzfahrtschiff auf einer Binnenkanalpassage. Der Jurist war bleich wie die Wand, ging schnurstracks und mit erwartungsvoller Miene auf Wiese zu und begrüßte diesen mit einem Händedruck, der den durchtrainierten Sportler kurz zusammenzucken ließ. Mit einem Nicken ließ er Wiese dann wieder frei. In Schellenburgs Schlepptau befand sich ein Mann, den Wiese schon einmal gesehen hatte, ein Schwarzafrikaner. Das musste der ugandische Botschafter sein. Okot Kiguli. Klein, drahtig, mit wachen Augen um sich blickend. Die beiden ungleichen Männer setzten sich.
Wiese beugte sich zu Anja Paffrath hinüber, die gerade wieder hereingekommen und an der Wand neben der Tür stehen geblieben war.
»Was um alles in der Welt macht von Schellenburg hier?«, fragte er sie. »Normalerweise posiert der doch nur für die Boulevardblätter auf einem Pferd seines Gestüts oder nimmt mit seiner Frau an Charity-Veranstaltungen teil.«
Die Kollegin sagte nichts, sondern stand wie geistesabwesend da.
»Anja, alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Sie wollten doch einen erdachten Anlass, um hier rauszukommen« flüsterte sie zurück. «Ich glaube, nun haben wir einen echten.« Sie hielt ihm das schnurlose Telefon entgegen, das sie aus ihrem Büro mitgebracht hatte. »Und ich fürchte, er ist echter, als uns lieb sein kann. Ein Anruf aus Hamburg. Aus dem Gefängnis in Fuhlsbüttel.«
Wiese sah um sich, griff nach dem Telefon und entfernte sich instinktiv von potenziellen Mithörern, während er sich mit Namen und Dienstgrad meldete. Zur Antwort hörte er die warme Stimme eines Afrikaners, die in fast perfektem Deutsch zu ihm sprach. Lediglich ein winziger Akzent verriet, dass er die Sprache nicht von klein auf gelernt hatte.
»Herr Wiese, es ist mir eine Freude und Ehre, Sie einmal persönlich am Telefon zu sprechen«, sagte die Stimme. »Mein Name ist Bernard Kayibanda. Bestimmt haben Sie schon einmal etwas von mir gehört.«
Sofort begannen die Gedanken in Wieses Kopf zu rasen. Kayibanda, auf den Namen war er doch schon gestoßen. Aber wo?
»Guten Morgen ... «, sagte Wiese automatisch. »Darf ich fragen, was der Anlass Ihres Anrufs ist?«
Jetzt fiel es ihm ein: In dem Zeitungsartikel über den Kriegsverbrecherprozess in Hamburg. Kayibanda war der Hauptangeklagte. Wiese gab seiner Kollegin zu verstehen, dass sie die Nummer
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