Mondberge - Ein Afrika-Thriller
Amt.
»Typisch«, lächelte er gequält in die Runde. »Die mit dem kürzesten Anreiseweg kommen mal wieder als Letzte.« Er schaute auf die Uhr. »Wir werden noch ein paar Minuten warten, bevor wir anfangen. Es ist wichtig, dass alle die gleichen Basisinformationen bekommen, damit nicht schon am Anfang alles im Chaos versinkt. Das passiert noch früh genug.«
Als sich die Tür öffnete und die restlichen Beteiligten eintraten, stutzte Wiese. Dem Kollegen vom Kanzleramt folgte auf dem Fuße Klaus Huber, einer der parlamentarischen Staatssekretäre des Auswärtigen Amts. Dass ein Staatssekretär aus seinem Ministerium teilnehmen würde, darüber hatte man ihn nicht informiert. Der forsch auftretende Mann setzte sich ihm gegenüber an den großen Tisch und betrachtete ihn unverwandt. Die Ministerien wurden zwar standardmäßig informiert, wenn eine Krisensituation eintrat, aber in der Regel entsandten sie zunächst einfache Beamte. Staatssekretäre waren selten in einer ersten Besprechung. Wiese straffte den Rücken und setzte zu einleitenden Sätzen an, als Huber ihm das Wort aus dem Mund nahm.
»Guten Morgen. Nehmen Sie bitte alle zur Kenntnis, dass mir ab jetzt die Leitung dieses Stabs obliegt. Wir werden nun sofort mit der Arbeit beginnen.«
Wiese stockte in seiner Bewegung. Erstaunt starrte er quer über den Tisch, schloss dann seinen Mund und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück.
»Frau Paffrath«, fuhr Huber ungerührt fort, »teilen Sie uns doch bitte noch einmal kompakt mit, was geschehen ist.«
Auf einem riesigen Plasma-Bildschirm wurde eine Karte Ugandas angezeigt. Die Referentin erhob sich und zeigte mit einem Stift auf den kongolesisch-ugandischen Grenzbereich.
»Hier befinden sich die Mondberge ... der Ruwenzori, wo die Geiselnahme offenbar vor etwa 36 Stunden stattgefunden hat«, sagte sie. »Die Reisegruppe, um die es geht, besteht dem Vernehmen nach ausschließlich aus deutschen Staatsangehörigen. Einer von ihnen lebt seit mehr als zehn Jahren in der Nähe von Kampala und organisiert diese Reisen. Die anderen acht sind ausnahmslos Touristen. Namen und Alter bekommen wir so schnell wie möglich von den Kollegen in Uganda mitgeteilt. Über die Geiselnehmer gibt es bislang nur vage Informationen. Ein Träger ist dem Überfall offenbar entgangen und konnte fliehen. Er hat jedoch über 30 Stunden gebraucht, bis er auf eine andere Reisegruppe gestoßen ist, deren Chief-Guide per Satellitentelefon einen Hilferuf absetzen konnte. Die ugandische Seite des Gebirges ist sofort gesperrt worden. Acht Reisegruppen sind zurzeit im Ruwenzori auf zwei unterschiedlichen Rundwegen unterwegs. Diese anderen Gruppen – in zweien davon laufen nach ersten Informationen weitere Deutsche mit – werden zurzeit kontaktiert, damit sie so schnell wie möglich umkehren.«
Anja Paffrath setzte sich wieder.
»Hm, hm«, brummelte Huber. »Wiese, wie man hört, haben Sie an der Region einen Narren gefressen – waren Sie nicht selber Botschaftsmitarbeiter da unten?«
»In Sambia, in Kenia und im Kongo«, antworte Wiese vorsichtig. Wieso war dieser Mann als Spitzenvertreter des Auswärtigen Amts so gut über den diplomatischen Rahmen hinaus informiert?
»Sehr gut, dann berichten Sie uns am besten über die allgemeine Lage in Uganda« ordnete Huber an.
»Das würde ich gern tun, zuständigkeitshalber möchte ich aber an den Kollegen Brinkmann vom Länderreferat verweisen«, sagte er, wobei er den Genannten kurz auffordernd anschaute und dann seine Kollegin in einen Blickkontakt zog.
Paffrath erhob sich verstehend, erklärte »Ich erwarte noch ein, zwei, wichtige Anrufe« und steuerte auf Wiese zu, als habe sie eine wichtige Information für ihn. Als die beiden die Köpfe zusammensteckten, flüsterte Wiese:
»Was macht der Huber hier, und warum mischt der sich in meine Befugnisse ein?« Ohne eine Antwort abzuwarten fügte er hinzu: »Sorgen Sie für einen Vorwand, dass ich hier in fünf Minuten raus kann, um das zu klären.«
Seine Mitarbeiterin nickte und verließ im gleichen dienstbeflissenen Schritt, mit dem sie ihm zur Hilfe gekommen war, den Konferenzsaal.
Der Lagebericht brachte für Wiese wenig Neues. Im Norden Ugandas immer wieder Rebellenbewegungen; die ugandischen Streitkräfte versuchten sie zu entwaffnen, was ihnen kaum bis gar nicht gelang. Reisewarnungen für diese Region. Demonstrationen nach der Parlamentswahl in der Hauptstadt Kampala. Proteste und Verhaftungen. Internationaler Widerstand gegen
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