Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
noch mal den Fuß in diese Welt setzt, das schwöre ich.“
Sein Lächeln wurde breiter, bevor seine Lippen erneut Worte formten. „Du drohst mir?“ Er legte den Kopf in den Nacken und lachte tief.
Sie erinnerte sich noch deutlich an das kehlige Lachen, das ihr einst Schauder über den Rücken getrieben hatte.
„Nicht ich werde zu dir, sondern du zu mir kommen“, fuhr er fort.
Sie die Schattenwelt betreten? Niemals, gleichgültig, was geschah. Noch nie war ein Mensch lebend von dort zurückgekehrt. „Ich werde niemals deine Welt betreten.“
„Doch du wirst, es ist dein Schicksal. Und dann bist du mein.“
Sie hob an, etwas zu erwidern, als sein Gesicht in der Scheibe verblasste und schließlich verschwand. Die plötzliche Stille verschluckte jedes Geräusch, selbst ihr Atmen. Die Umrisse vor ihren Augen verschwammen wie bei einem Bild, über das Wasser gekippt worden war. Ihr Brustkorb hob und senkte sich im schneller werdenden Rhythmus und presste ihren Atem hinaus, der durch die Kälte in weißen Wolken vor dem Mund schwebte. Sie wollte aufspringen und aus dem Abteil stürmen, aber ihre vor Kälte steifen Glieder hielten sie zurück. Sie sah an sich hinunter und erschrak über ihre Haut, die bleich und brüchig wie bei einem Vampir aussah. Ihre Adern glichen blauen Kordeln. Von Entsetzen gepackt, öffnete sie den Mund und schrie. Aber sie hörte keinen Laut aus ihrer Kehle dringen. Ihre Arme klebten an den Lehnen fest. Langsam blickte sie an sich hinab und erstarrte. Pflanzentriebe bohrten sich durch Haut und Fleisch ihrer Arme und wickelten sich um die Lehnen ihres Sitzes. Ihr Körper pulsierte, und sie spürte, wie alle Energie aus ihrem Körper wich. Nach einer kurzen Weile fühlte sie sich so kraftlos, dass sie sich kaum bewegen konnte. Wie ein Insekt, das von einer Spinne ausgesaugt wurde. Wenn ihr Körper zu schwach war, um zu gehorchen, musste sie ihre mentalen Kräfte einsetzen. Doch je mehr sie sich auf ihre Sinne konzentrierte, desto stärker wuchs der Schmerz, als risse ihr jemand Herz und Eingeweide aus dem Leib. Sie biss die Zähne zusammen, während ihr Hirn fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Das konnte nicht wirklich geschehen. Adern mutierten nicht zu Pflanzenranken. Jemand gaukelte ihr diese Vision vor. Reiß dich zusammen, Amber. Du hast dich schon aus mancher aussichtslosen Lage hinausmanövriert. Du darfst nicht resignieren. Doch ihr Kopf funktionierte nicht, fühlte sich an, als wäre er mit Watte ausgepolstert. Amber keuchte und stöhnte. Der Druck auf ihren Kopf nahm zu.
„Spürst du, wie der Baum der Finsternis in dir wächst? Seine Kräfte werden sich mit dir vereinen, so wie in mir. Ich bin dein Schicksal, Tochter des Windes“, hörte sie Revenant flüstern.
„Du bist nicht wirklich hier und kannst mir nichts anhaben“, presste sie hervor.
„Wir werden uns vereinen“, hörte sie die einschmeichelnde Stimme des Vampirs.
„Niemals! Eher sterbe ich.“ Der Schmerz in ihrem Inneren ließ ihr schwarz vor Augen werden. Immer mehr Triebe sprossen aus ihrem Körper und spannten sie in einen grünen Kokon.
„Gib auf, du kannst nicht gegen deine Bestimmung gewinnen.“ Revenants Lachen dröhnte in ihrem Kopf.
„Nein, niemals ... niemals.“ Ein weiteres Mal setzte sie alles daran, die grünen Fesseln mithilfe ihrer Kräfte zu sprengen, bis sie erschöpft aufgab und ihre Glieder erschlafften. Das Letzte, was sie spürte, waren die Ranken, die jeden Zentimeter ihres Körpers eroberten, sie aussaugten, bis ihr die Lider zufielen und ihr Geist in Dunkelheit versank.
„Ihre Fahrkarte, Miss“, durchdrang eine Stimme den Nebel, der ihren Kopf umgab. „Hallo, Miss?“
Amber öffnete die Augen und erwiderte irritiert den fragenden Blick aus dunkelbraunen Augen, die einem Mann mit zerknittertem Gesicht und rotblondem Schnurrbart gehörten. Sie brauchte eine Weile, um zu sich zu kommen. Revenant, die Pflanze ... Was für ein Albtraum. Amber leckte sich über die trockenen Lippen.
„Ihre Fahrkarte bitte, Miss.“
„Ja, ja, natürlich. Entschuldigung, ich war eingeschlafen“, sagte sie, noch immer benommen.
Sein Blick wurde strenger, als Amber lange in ihrer Tasche kramte. Endlich zog sie das Ticket heraus und reichte es ihm.
„Na, dann verschlafen Sie nicht Ihren Ausstieg, Miss. Wir erreichen Victoria Station in einer Viertelstunde.“
Er tippte zum Gruß an seine Mütze, bevor er das Abteil verließ. Erschrocken sah sie auf die Uhr. Das konnte nicht sein. Sollte sie
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