Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
nennen ihn immer nur Meister.“
„Du weißt es nicht? Sag mal, wie naiv bist du?“
Jills Unterlippe zitterte. „Ich bin nur Anabel zuliebe mitgegangen. Sie hat gesagt, dass sie immer viel Spaß haben und wir vielleicht Geister sehen werden. Ich fand das geil. Also, alles harmlos“, antwortete sie und winkte ab.
Mit sechzehn Jahren hätte er ihr mehr Verstand zugetraut. Was fand Kevin an diesem Mädchen? „Harmlos? Dann will ich dir mal erzählen, was euer Meister euch da oben vorführen wird. Er wird dem Raben den Kopf abdrehen und sein Blut in eine Schale tropfen lassen.“ Zufrieden bemerkte er das Entsetzen, das sich in Jills Miene widerspiegelte und ihn mit den grausamen Details fortfahren ließ.
„Mit Rabenblut reibt er euch ein. Dann wird er einen von euch als Opfer auswählen, das sich nackt auf den Menhir legen muss ... “
„Hör auf! Ich will das nicht hören!“ Tränen quollen unter ihren Lidern hervor und rollten über ihre Wangen. Sie zitterte und hielt sich die Ohren zu.
„Aber es ist die Wahrheit. Da hat er euch wohl das Wichtigste verschwiegen. Wenn Kevin davon erfährt ...“
„Nein, nein, du darfst ihm nichts davon erzählen“, bettelte sie. „Bitte. Er wird mich für blöd halten.“
„Womit er nicht ganz unrecht hätte. Es kommt sowieso eines Tages heraus.“
„Aidan, ich kann es ihm nicht sagen, ich schäme mich.“
„Das hättest du dir vorher überlegen sollen. Na gut, ich werde es ihm nicht sagen, aber nur unter zwei Bedingungen.“ Er musste ihr eine Lektion erteilen, auch wenn sie ihm leidtat. Jill war derart aufgebracht, dass sie schlotterte. Aidan wusste, wie sehr sie Kevin anhimmelte, der mit achtzehn Jahren reifer wirkte als andere seines Alters. Ambers Bruder war bei den Mädchen begehrt und Jill hatte erst kürzlich Amber gestanden, wie stolz sie darauf sei, Kevins Freundin zu sein.
Sie räusperte sich. „Und die wären?“
Sie besaß etwas von einem kleinen Mädchen, das sich seiner Schuld bewusst war und sich vor einer Strafe fürchtete. „Wenn du dich nie mehr mit diesen Leuten triffst und Kevin selbst davon erzählst.“
Flehend blickten ihre rehbraunen Augen zu ihm auf. Aber Aidan ließ sich nicht erweichen.
„Aber ...“
„Kein Aber! Sagst du es ihm nun oder soll ich es tun?“
Seufzend hob sie die Hände und versprach, es Kevin zu erzählen.
„Komm, ich bringe dich jetzt nach Hause.“ Er zog sie sanft am Arm mit sich. Widerstandslos ließ sie es geschehen.
„Und was ist mit den anderen?“
„Um die kümmere ich mich später.“ Sobald er Jill sicher nach Hause gebracht hatte, würde er sich zum Hügel begeben.
Das Haus von Jills Großeltern lag nur eine Viertelstunde vom Waldrand entfernt. Kevin würde außer sich sein und das Mädchen schelten, wenn er davon erführe. Als Jill seufzte und mit hängenden Schultern neben ihm lief, spürte er ihre Traurigkeit. Hoffentlich würde sie diesem Meister nicht mehr folgen.
8
A mber schlief durch das gleichmäßige Schaukeln des Zuges ein und wachte vom Rattern der Räder wieder auf, als der Zug in einen Tunnel fuhr. Mühsam öffnete sie die Augen und gähnte, bevor sie geradeaus ins Halbdunkel sah. Eine plötzliche Bewegung neben ihr in der Scheibe weckte ihre Aufmerksamkeit.
Ein Gesicht spiegelte sich darin, unscharf und milchig, als wäre die Scheibe beschlagen. Sie sah zur Tür des Abteils. Dort stand niemand. Plötzlich war es kalt wie in einem Gefrierschrank. Sie rieb sich die Arme. Als sie den Kopf zum Fenster drehte, zuckte sie zusammen, denn es war Revenants Gesicht, das ihr entgegenblickte. Sie schloss die Augen und hoffte, sein Anblick möge eine Halluzination sein. Aber als sie die Augen wieder aufschlug, war er noch immer da. Seine Lippen bewegten sich. Sie versuchte, die Worte abzulesen.
Es war unmöglich, dass sein Geist die Schattenwelt verlassen konnte. Samuels Spiegel hing Hunderte von Kilometern entfernt in Gealach. Es musste sich um ein Trugbild handeln, andernfalls ... Nein, diese Möglichkeit schloss sie aus. Sie hätte die dunkle Energie gespürt, wenn jemand versuchte, das Schattentor zu öffnen. Dennoch verschwand Revenant nicht.
„Wie du siehst, bin ich überall“, formten seine Lippen.
„Was willst du von mir?“ Ambers Hände krampften sich um die Lehnen.
Revenants Lippen kräuselten sich zu einem bösartigen Lächeln. „Bald wirst du mir gehören. Ich kann es kaum erwarten“, las sie.
Er durfte nie wieder zurückkehren. „Ich werde verhindern, dass du
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