Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
Pfingstrosen. Hermit hatte den Frühling besonders geliebt und sich immer gewünscht, zu dieser Jahreszeit zu sterben. Der Wunsch war ihm erfüllt worden, dachte Amber bitter und sah auf den Sarg hinab.
Aidan war nicht gekommen, selbst dann nicht, als das Grab zugeschaufelt wurde. Ihre Mutter empörte sich darüber und lobte im Gegenzug Charles, der ein Gesteck für Hermit gekauft hatte. Amber hingegen spürte, dass der Tod des Druiden Aidan mehr mitnahm als ihre Mutter behauptete. Sicher erinnerte er sich an seinen eigenen. Er sprach nie darüber, was er damals empfand. Ein weiterer Grund für seine Abwesenheit war sicher, dass er ihr aus dem Weg gehen wollte. Bestimmt wusste er bereits von Charles’ verlängertem Aufenthalt und brannte vor Eifersucht. Wahrscheinlich wäre sie genauso eifersüchtig, wenn eine halb nackte Frau an seiner Seite gestanden hätte. Aber die grobe Art, wie er über sie hergefallen war, konnte sie nicht so leicht vergessen.
Sie blieb noch eine lange Weile am Grab unter dem blühenden Magnolienbaum stehen, als die anderen den Garten längst verlassen hatten. Hier fühlte sie sich Hermit nah. Fast glaubte sie, er würde auf dem rostigen Eisentisch seine Kräuter schneiden und leise vor sich hinsummen. Wie oft hatten sie hier gelacht. Doch das war vorbei. Für immer und ewig. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich weiß, dass du mich hören kannst“, sagte sie leise. „Du hast mir gestern geholfen, dafür möchte ich dir danken.“ Sanft streichelte sie über eine Blütenknospe, die sich im Sonnenschein geöffnet hatte. Amber sog ihren süßen Duft ein. Der Wind pustete die Blütenblätter in die Luft. Hermit hatte diesen Baum geliebt, weil er ihn für Colin gepflanzt hatte. Und jetzt war Hermit tot und Colin dabei, diese Welt in den Untergang zu führen. „Es ist nicht fair, mich allein zurückzulassen! Ich bin noch nicht so weit, auch wenn ich Jill retten konnte. Ein Schwarzmagier und ein Vampir wie Revenant gehören zu einer ganz anderen Liga. Ich bezweifle, dass ich diese Bürde tragen kann.“
„Komm, unter meinen Ästen findest du Schutz und Geborgenheit“, hörte sie den Baum flüstern.
Oder war es Hermit, der ihr diese Botschaft sandte? Hatte er nicht damals die gleichen Worte gebraucht? Amber stellte sich unter die ausladenden Äste und spürte tatsächlich, wie Energie sie durchflutete und ein warmes, leichtes Gefühl hinterließ, als wollte er sie trösten. Hermit hatte immer mit Ehrfurcht von den Bäumen und ihrer Magie gesprochen. Wenn sie den Baum berührte, würde sie ihm noch näher sein. Sie legte die Hände auf die Rinde und sah Hermit, wie er ein Loch in die Erde grub und den Baum hineinsetzte. Ein Junge, nicht älter als fünf, spielte zu seinen Füßen mit der ausgehobenen Erde. Es musste Colin sein. Hermit strich ihm liebevoll über den Kopf und sah auf, als sich ein Mann in brauner Kutte näherte.
Amber erstarrte, riss die Hände fort. Ihr Herz raste wie verrückt. Das konnte doch nicht möglich sein! Warum hatte Hermit ihr das verschwiegen? Ihre Hände zitterten, als sie sie wieder an die Baumrinde legte. Neben Hermit stand Myrddin, so, wie sie ihm in der Vergangenheit begegnet war, der gleiche ernste Ausdruck in seinen grünen Augen, als könnte er in jeder Seele lesen. Die beiden Männer schienen über etwas zu diskutieren, das sie gegeneinander aufbrachte. Immer wieder zeigte Myrddin auf den Jungen.
Die Bilder erloschen, ihre Fragen nicht. Weshalb war ihr Vater bei Hermit gewesen? Und warum hatte der Druide ihr das verschwiegen? Fassungslos lehnte Amber sich mit dem Rücken an den Stamm. Wenn einer ihr die Zusammenhänge erklären konnte, dann Myrddin. Nur auf einer Reise in die Vergangenheit könnte sie Antworten auf ihre Fragen erhalten.
Amber trat durch den Spiegel und befand sich wieder in der Gealach Burg. Neben ihr loderten Flammen, das Dach eines Nebengebäudes brannte. Die aufgeregten Stimmen der Menschen, die in der Kette stehend das Feuer löschten, vermischten sich mit dem Kampfgeschrei hinter den Mauern. Eine Frau rannte an Amber vorbei und drückte ihr einen hölzernen Bottich in die Hand.
„Hol Wasser!“, befahl sie. Doch Amber wollte stattdessen die Leiter zum Wehrgang hinaufklettern, um das Schlachtfeld zu sehen.
„Hast du nicht verstanden?“, herrschte die Frau mit dem dicken Zopf.
Amber, die keine Lust auf eine Konfrontation hatte, lief zum nahen Brunnen. Keiner beachtete sie, als sie sich tief hinabbeugte, um Wasser zu
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