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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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betrunken war. Er hatte keine Ahnung, was er als Nächstes sagen sollte.
    Baedecker hatte gelernt, seine Angst vor einem großen Publikum zu vertreiben, indem er einfach leicht schielte, während er sprach. Menschenmengen waren längst nicht so einschüchternd, wenn sie zu einem bunten Meer von Gesichtern verschwammen. Abe r heute tat er das nicht. Baede cker starrte die Menge ernst an. Er erblickte Stinky Serrel in der zweiten Reihe, die ihm mit unmerklichen Bewegungen der Hand unter dem Kinn zuwinkte. Ihr Mann, der noch das Softballtrikot trug, döste auf dem Stuhl neben ihr. Phil Dixon und seine Familie saßen drei Reihen weiter hinten. Jackie Ackroyd lächelte ihn aus der ersten Reihe am Mittelgang an. Neben ihr kniete Terry auf seinem Stuhl, wandte Baedecker den Rücken zu und unterhielt sich lautstark mit einem älteren Jungen. Carl Foster oder Galen konnte er nicht entdecken, spürte aber, dass sie anwesend waren. In den Sekunden der Stille, nachdem der Applaus abgeklungen war, verspürte Baedecker eine plötzliche Aufwallung von Zuneigung für die Menschen vor ihm.
    »Die Erforschung des Weltraums hat sich für Wissenschaftler hinsichtlich reinen Wissens ausgezahlt und für die Ingenieure wegen der technologischen Herausforderung«, hörte Baedecker sich sagen, »aber viele Menschen wissen gar nicht, wie ungeheuer lohnend sie fü r den durchschnittlichen Amerikaner im Hinblick auf Nebenprodukte war, die unser aller Lebensqualität verbessert haben.« Baedecker entspannte sich beim Sprechen. Er hatte die fünfmonatige Werberundreise der NASA nach dem Mondflug nur hinter sich gebracht, indem er sich ein halbes Dutzend Reden eingeprägt hatte. Was er jetzt von sich gab – wenn auch zugegebenermaßen von ihm auf den neuesten Stand gebracht –, war die von der NASA geschriebene Ansprache, die er insgeheim seine Teflon-Rede nannte.
    » … nicht nur diese wunderbaren Materialien und Legierungen, nein, als Folge der von der NASA gesponserten Fortschritte auf dem Gebiet der Elektronik können wir uns heute an Dingen wie Taschenrechnern, Computern und vergleichsweise preiswerten Videorekordern erfreuen.«
    Mein Gott, dachte Baedecker, wir haben das größte gemeinsame Werk auf die Beine gestellt seit die Pharaonen die Pyramiden erbauten, damit wir daheim sitzen und Debbie Does Dallas auf Video sehen können.
    Baedecker machte eine Pause, hustete einmal und fuhr fort. »Kommunikationssatelliten – die teilweise vom Space Shuttle abgesetzt wurden – überziehen unsere Welt mit einem Telekommunikationsnetz. Als Dave und ich vor sechzehn Jahren auf dem Mond spazierengingen, hatten wir eine neue leichte Videokamera dabei, die Prototyp für viele heutige Heimvideoanlagen war. Als Dave und ich mit dem Rover, unserem › Mondauto ‹ , zehn Kilometer fuhren und in einen Graben blickten, den vorher kein Menschenauge deutlich hatte sehen können, wurde unsere Expedition live über dreihundertsechsundachtzigtausend Kilometer Weltraum übertragen.«
    Und wurde von den privaten Fernsehsendern abgelehnt, weil sie dafür ihr Tagesprogramm hätten unterbrechen müssen, dachte Baedecker. Das Apollo-Programm ist jung gestorben, weil es schlechte Produktionsmaßstäbe und ein banales Drehbuch hatte. Nach Apollo 11 hat alles nur noch wie Wiederholungen ausgesehen. Wir konnten nicht mit Days of Our Lives konkurrieren.
    » … zu dem Zeitpunkt hätte niemand alle Folgeprodukte erahnen können, die das Projekt hervorbrachte. Unser Ziel war es, das Universum zu erforschen und die Grenzen des Wissens zu erweitern. Als Nebenwirkung haben wir damit eine technologische Revolution eingeleitet, von der sich wiederum die Folgeprodukte abgekoppelt haben, die das Leben so vieler amerikanischer Konsumenten verändert haben.«
    Joan koppelte sich von einer Ehe ab, die jahrelang eine Illusion gewesen war. Scott koppelte sich nach Indien ab und beschloss, ewige Wahrheiten in einer Kultur zu finden, die nicht einmal Wasserklosetts zustande bringt.
    »Als Dave, Tom und ich mit der Discovery zum Mond flogen, kostete der durchschnittliche Firmencomputer zwölftausend Dollar«, sagte Baedecker. »Heute kostet ein Computer für zu Hause aufgrund der Nebenprodukte unseres Raumfahrtprogramms ein paar Hundert Dollar und kann dasselbe. Und besser.«
    Dave Muldorff koppelte sich ab und wurde Kongressabgeordneter von Oregon. Baedecker erinnerte sich an eine weiße Gestalt, die leichtfüßig über die Mondoberfläche schritt – der Anzug leuchtete in einer

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