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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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fünf Kilometer entfernte Wald auf der anderen Seite des Sees nur eine schwarze Linie vor dem Sternenhimmel. Baedecker betrachtete die glühende Zigarettenspitze seines Vaters und lauschte dem spröden Klang von Trommel und Schnur. Ab und zu hüpfte ein Fisch aus dem dunklen Wasser und fiel wieder zurück.
    »Wer weiß, ob dieses Ding nicht irgendwelche Atombomben an Bord hat«, hatte sein Vater plötzlich gesagt.
    »Das wären ziemlich kleine Bomben«, sagte Baedecker. »Der Satellit ist etwa so groß wie ein Basketball.«
    »Aber wenn sie einen Satelliten von dem Format raufschicken, dann können sie das doch auch mit größeren, die Bomben tragen, oder nicht?«, fragte sein Vater in einem fast schon quengelnden Tonfall.
    »Stimmt«, sagte Baedecker, »aber wenn sie schon so viel Gewicht in den Orbit schießen, dann müssten sie die Bomben nicht in einen gesonderten Flugkörper verpacken. Sie könnten gleich die Hilfsraketen als Träger benutzen.«
    Sein Vater sagte nichts, und Baedecker wünschte sich, er hätte den Mund gehalten. Schließlich hustete sein Vater und sprach weiter, während er die Leine einholte und wieder auswarf. »Ich habe im Tribune von diesem neuen Raketenflugzeug, der X-15, gelesen, das sie auf dem Reißbrett entwickelt haben. Soll in den Weltraum starten, die Erde umkreisen und landen wie ein normales Flugzeug. Wirst du es fliegen, wenn es fertig ist?«
    »Das wäre mein größter Wunsch«, sagte Baedecker. »Unglücklicherweise stehen ein paar Leute vor mir in der Schlange, Leute mit Namen wie Joe Walker und Ivan Kincheloe. Außerdem ist das draußen auf Edwards. Ich verbringe die meiste Zeit in Yuma oder Pax River. Ich hatte gehofft, ich würde bis dahin weiter vorne in der Reihe landen, aber bis jetzt habe ich noch nicht mal die Universität abgeschlossen.«
    Das glühende Zigarettenende wippte auf und ab, als sein Vater nickte. »Deine Mutter und ich haben gedacht, wir könnten uns jetzt auf den ersten Winter hier unten einrichten«, sagte er. »Manchmal spielt es keine Rolle, was man hofft oder plant. Es spielt einfach keine Rolle.«
    Baedecker strich mit der Hand über das glatte Holz des Stegs.
    »Der Fehler besteht darin, dass man immer auf die Auszahlung wartet, als wäre sie eine Belohnung, die einem zusteht«, sagte sein Vater, und nun war der quengelnde Tonfall verschwunden und etwas unendlich Traurigem gewichen. »Man arbeitet und wartet, und dann arbeitet man noch ein bisschen mehr, und dabei erzählt man sich und den anderen ständig, dass die guten Zeiten noch vor einem liegen, aber dann geht plötzlich alles in Scherben, und man wartet nur noch darauf zu sterben.«
    Ein kalter Wind wehte über den See, und Baedecker erschauerte.
    »Da ist er«, sagte sein Vater.
    Baedecker blickte auf, folgte dem ausgestreckten Zeigefinger, und da sah er in den dunklen Zwischenräumen zwischen den kalten Sternen, unglaublich hell, orange wie die Zigarettenglut seines Vaters und viel zu hoch und schnell, um ein Flugzeug zu sein, den Sputnik von Westen nach Osten wandern, obwohl dieser eigentlich so klein sein musste, dass man ihn unmöglich erkennen konnte.  
    Dave kochte ein Chili, als sie von Miz Callahan zurück waren, und sie nahmen ein verspätetes Abendessen ein, saßen in der langgestreckten Küche und hörten Bach auf dem tragbaren Kassettenrekorder. Kink Weltner schaute vorbei und trank ein Bier, während sie aßen. Dave und Kink unterhielten sich über Football, und Baedecker schaltete ab, weil Football eine der Sportarten war, die er sterbenslangweilig fand. Als sie nach draußen traten und sich von Kink verabschiedeten, ging der Vollmond auf und hob die Felszinnen und Pinienbäume auf dem Kamm im Osten als Silhouetten hervor.
    »Ich möchte dir was zeigen«, sagte Dave.
    In einem kleinen Hinterzimmer im Erdgeschoss stapelten sich die Bücher, und dazwischen ragte ein behelfsmäßiger Schreibtisch auf, bestehend aus einer Tür auf Sägeböcken, eine Schreibmaschine. Mehrere hundert Blatt Manuskriptpapier lagen unter einem Briefbeschwerer – Dave hatte den Notschalter einer Gemini- Raumkapsel zweckentfremdet.
    »Wie lange arbeitest du schon daran?«, fragte Baedecker und blätterte die ersten fünfzig Seiten durch.
    »Ein paar Jahre«, sagte Dave. »Komisch, aber ich schreibe nur hier draußen in Lonerock. Dafür muss ich meine komplette Fachliteratur hin- und herschleppen.«
    »Wirst du dich dieses Wochenende auch damit beschäftigen?«
    »Nein, ich hätte gerne, dass du es dir

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