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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Kopf ab und starrte schweigend auf den See. Baedecker holte tief Luft und versuchte, sich auf die Stimmung dieses Augustabends zu konzentrieren. Der Geruch von Wasser, Fisch und Öl erinnerte ihn an die Sommer seiner eigenen Kindheit. Er schloss die Augen und dachte an die Zeit nach dem Krieg, als er dreizehn war und sein Vater für drei Wochen zum Big Pine Lake in Minnesota gefahren war, um zu jagen und zu angeln. Baedecker hatte mit seiner .22er Savage auf Blechdosen geschossen, aber als es daran ging, die Waffe zu säubern, stellte er fest, dass er den Putzstab zu Hause vergessen hatte. Zuerst hatte sein Vater nur den Kopf geschüttelt, mit dieser unausgesprochenen Enttäuschung, die für den jungen Baedecker irgendwie schlimmer war als Schläge, aber dann legte sein Vater die Angelausrüstung weg, befestigte einen kleinen Bleiblinker an einem Stück Angelschnur, zog das Ganze durch den Lauf der .22er seines Sohnes und band ein Tuch an die Schnur. Baedecker wäre bereit gewesen, das Gewehr allein zu reinigen, aber sein Vater behielt das andere Ende der Schnur in der Hand, worauf die beiden das Tuch hin und her zogen und leise über Belanglosigkeiten plauderten. Sie hatten auch noch weitergemacht, als der Lauf längst sauber war. Er konnte sich an alles erinnern: das rot-braun karierte Hemd seines Vaters, die bis zum Ellbogen hochgekrempelten Ärmel, das Muttermal auf dem sonnengebräunten linken Arm, den Geruch nach Seife und Tabak, den Tonfall seiner Stimme … Und er erinnerte sich an noch mehr: Er erinnerte sich an das traurige, hartnäckige Bewusstsein dessen, was er in diesem Augenblick empfand, sein Unvermögen, es einfach nur zu erleben. Damals schon. Selbst während er in fast vollkommener Zufriedenheit sein Gewehr reinigte, war er sich seiner Zufriedenheit bewusst gewesen und der Tatsache, dass sein Vater eines Tages tot sein und er sich erinnern würde. An diesen Augenblick und an sein Wissen.
    »Weißt du, was ich hasse?«, sagte Scott mit ruhiger Stimme.
    »Was hasst du?«, fragte Baedecker.
    Der Junge deutete mit dem Finger. »Ich hasse den Scheißmond.«
    »Den Mond?«, sagte Baedecker. »Warum?«
    Scott drehte sich, so dass er rittlings auf dem Geländer hockte. Er schüttelte sich das Haar aus den Augen. »Weißt du noch, als ich in der ersten Klasse war? Ich hab der Klasse erzählt, dass du für die Mission ausgewählt worden bist. Miss Taryton sagte, das wäre wunderbar, aber da war dieser Junge, Michael Bizmuth. Er war ein Arsch, keiner hat mit ihm gespielt. Er kam in der Pause zu mir und sagte: › He, dein Dad wird da oben sterben, sie werden ihn dort begraben, und du wirst den Mond dein ganzes Leben lang anschauen müssen. ‹ Ich hab ihm eine verpasst und Ärger gekriegt, und Mom ließ mich zwei Wochen lang nicht fernsehen. Aber in dem Jahr, bevor du geflogen bist, hab ich mich jeden Abend hingekniet und eine Stunde gebetet. Jede Nacht eine Stunde. Meine Knie haben wehgetan, aber das war mir egal.«
    »Das hast du mir nie erzählt, Scott«, sagte Baedecker. Er wollte etwas anderes sagen, aber ihm fiel nichts ein.
    Scott schien ihm gar nicht zuzuhören. Er strich sich das Haar aus den Augen und runzelte konzentriert die Stirn. »Manchmal habe ich gebetet, dass du nicht fliegst, und manchmal habe ich gebetet, dass du da oben nicht sterben würdest … « Scott machte eine Pause und sah seinen Vater direkt an. »Aber weißt du, was ich mir am häufigsten gewünscht habe? Ich hab drum gebetet, wenn du tatsächlich sterben solltest, sollten sie deinen Leichnam zurückbringen und in Houston oder Washington, D.C. oder sonst irgendwo begraben, damit ich nicht den Rest meines Lebens nach oben auf dein Grab schauen muss.«  
    »Denkst du manchmal über Selbstmord nach, Richard?«, fragte Dave.
    Es war Sonntagmorgen. Sie waren früh aufgestanden, hatten ein gewaltiges Frühstück verspeist und fuhren mit einem von Kink geliehenen Pritschenwagen in die Berge über Lonerock, um Feuerholz zu sammeln.
    »Nein«, sagte Baedecker. »Jedenfalls nicht oft.«
    »Ich schon«, sagte Dave. »Selbstverständlich nicht über meinen eigenen, aber über das Prinzip.«
    »Was gibt’ s da nachzudenken?«, sagte Baedecker.
    Dave bremste vor einem kleinen Bach. Die Straße durch den Sunshine Canyon war von Schotter zu gestampfter Erde, zu Fahrspuren, schließlich zu einem undeutlichen Trampelpfad zwischen den Bäumen geworden. »Da gibt es eine ganze Menge nachzudenken«, sagte Dave. »Warum, wann, wo und – am

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