Mondgeschöpfe (Phobos)
ziemlich schüchtern waren und eher zurückhaltend. In der alten Waschkaue, die jetzt als Garderobe diente, griff Coin nach Murmel, seinem kleinen Schmusetier, das ihn überall hin begleitete, sogar auf die HELLTOURS. Murmel gab ihm Kraft. Und der Abend war noch lang. Olly kam herein. Zusammen mit Stan hatte er die Randalierer fertig gemacht und rausgeworfen. Stolz zeigte er seine frischen Wunden vor, blutende Kratzer auf den Oberarmen und am Hals. Das machte sich gut auf seiner vom Bodybuilding gestylten Heldenbrust.
"Und wenn der Typ AIDS hatte?", meinte Schimmel.
"Mich schafft AIDS nicht", entgegnete Olly. Und er mochte Recht damit haben, denn er war der einzige aus der Truppe, der einigermaßen gesund lebte. Er war von Drogen völlig ab. Die ganze Zeit, die er neben seiner Arbeit auf dem Schrottplatz übrig hatte, verbrachte er mit Kickboxen. Das war sein Sport. Vielleicht würde er damit eines Tages richtig Geld machen. Herbie hatte schon durchblicken lassen, er könne ihm vielleicht einmal Stunts für Eastern vermitteln. Vielleicht. Sie tranken. Ein riesiges Monsterposter zierte die Wand und sah Kevin genau an. Der helle Energiestrahl, der das glänzende Monsterauge verließ, schien genau sein Herz zu treffen.
Herbie stürmte herein und dröhnt e, ganz die Geschäftigkeit selbst: "Es läuft Klasse, Jungs. Ganz große Klasse. Da bleibt 'ne Menge Knete hier. Habt ihr ja auch verdient. Ihr habt heute die absoluten bad vibrations drauf. Da geht was ab."
Herbie war schon in Ordnung, wenn er sich auch - wie immer - den größten Teil der Knete einstecken würde. Neben seinem Management für DEATHVILLE vertrat Herbie Musiker für Kaffeefahrten. Aber sein Herz gehörte den HELLTOURS. Diese speziellen Fahrten inserierte er immer in METALLIC oder GHOSTBUSTERS. Dabei kamen wirklich unglaublich seltsame Leute zusammen. Diese HELLTOURS waren nicht billig. Schwarze Messen waren noch nie billig, in keiner Weise und zu keiner Zeit. Herbies Lieblingswörter waren "total" und "absolut". Heute Abend bei DEATHVILLE bewegte er sich absolut nervös. Er spürte, dass etwas in der Luft lag.
Das Johlen und Toben draußen wurde immer lauter: " DEATHVILLE... DEATHVILLE...", tönte es herein. Der Name DEATHVILLE ging auch auf Kevins Konto. Nach seinem Eindruck war der ganze Norden der Stadt tot, besonders in Hinsicht auf seine eigene vergessene Generation, die irgendwie den Sprung auf den Wohlstandsdampfer nicht geschafft hatte.
Stan ließ die Lichter auf der Bühne erlöschen. Im Dunkeln nahmen die Bandmitglieder ihre Plätze wieder ein. Alle, die draußen vor der Halle gewesen waren, kamen wieder in den Zuschauerraum. Begleitet von wilden Lightflashes, furchtbarem Krachen am Schlagzeug und Highsirenes vom Synthesizer begann die zweite Runde. Sie begann mit "Luzifers Landung", einem Song, zu dem Kevin sich von IRON MAIDENS Lied: " Can I Play With Madness" hatte inspirieren lassen. Danach spielte DEATHVILLE Stücke von WHITESNAKE, BONFIRE, KISS und QUEENSYRCHE. Der Gipfel war: "Alice In Hell" von ANNIHILATOR, ein noch ziemlich neues Stück. Aber Kevin wollte den zweiten Teil des Programms nicht enden lassen, ohne seine augenblicklich favorisierte Eigenkomposition angebracht zu haben: "SECHMETH". In diesem Stück zeigte sich seine zweite große Stärke. Kevin war nicht nur in der Lage, ätzende Kritiken durch seine Songs überzubringen. Er konnte Sagas erzählen. Vielleicht hätte man diese gesungenen Geschichten auch Balladen nennen können. Aber die alten Troubadoure wären wegen des Heavysounds wohl empört aus ihren Gräbern gehüpft. Kevins Geschichten waren noch älter, archaischer, beschäftigten sich mit grausamen Schlachten, mit unglücklichen Lieben, mächtiger Eifersucht, mit Rache. Und so stieß er auf Sechmeth. Der Wahlspruch, den die ägyptische Kriegsgöttin Sechmeth laut GHOSTBUSTER in ihrem Wappen führte, war: "Wenn ich Menschen erschlage, lacht mir das Herz im Leibe." Das hatte Kevin sehr beeindruckt. Vor allem aber hatte ihn die Abbildung einer Statue dieser löwenköpfigen Göttin inspiriert. Viertausend Jahre war sie alt.
Die erste Strophe waberte los, in der Kevin erzählte, wie Sechmeths göttliches Auge auf einen hübschen und st arken ägyptischen Soldaten fiel.
Ganz spontan holte Kevin Claudia auf die Bühne, die das Zeug zu einem Groupie gehabt hätte, wenn DEATHVILLE eine erfolgreiche Gruppe gewesen wäre. Es war so, dass Kevin und Claudia ab und zu zusammen herumlotterten. Er riss Claudia die
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