Mondgeschöpfe (Phobos)
einer seiner Standardsätze.
Mehr und mehr wurde Coin so beeinflusst, dass er es nachgerade für wünschenswert hielt, ein Killer zu werden. Ausgerechnet Coin, der noch immer bei seiner Mutter wohnte, den ein böser Blick aus ihren Augen in die dunkelste Ecke des Zimmers jagen konnte. Coin hätte jedenfalls alles dafür gegeben, von den anderen einmal, nur einmal, als harter Mann anerkannt zu werden. Nur deswegen hatte er sich auf den dornigen Weg der Dreizehn Prüfungen begeben. In Duisburg angekommen, wählte er in der nächstbesten Telefonzelle die Nummer, die er inzwischen auswendig drauf hatte. Sein Mentor meldete sich mit ruhiger, neutraler Stimme.
"Da bin ich wieder !", stieß Coin hervor, und es klang geradezu atemlos.
"Du hast dich drei Wochen lang nicht gemeldet", stellte Blacklord kühl fest.
"Ich war auf Tournee, du musst das verstehen!", beeilte sich Coin zu erklären. "Das hat man ja nicht alle Tage."
"Es freut mich immer, zu hören, dass es dir gut geht", warf Blacklord ein. "Wir haben dich schon vermisst. Auf dich wartet die zwölfte Aufgabe."
An die vorhergehenden elf erinnerte sich Coin nicht gerne. Aber er hatte sie gelöst.
"In Ordnung. Ich bin bereit", sagte Coin hastig.
Blacklord holte ihn vom Bahnhof ab. Endlos lange fuhren sie über die Autobahn. Coin war schon ein bisschen eingeduselt, bis er, durch Rütteln aufgeschreckt, merkte, dass sich der Wagen über einen Feldweg quälte. "Setz die Kapuze auf!", befahl ihm Blacklord. Coin fühlte neben sich auf dem Sitz ein klammes Tuch. Er wickelte es auseinander und zog es sich über den Kopf. Das Tuch roch muffig. Noch eine weitere halbe Stunde dauerte das Rütteln. Dann, ganz unvermittelt, hielt der Wagen. Coin hörte Blacklord aussteigen und um den Wagen gehen. Er zog Coin vom Sitz. Er stieg aus und spürte Kopfsteinpflaster unter seinen Stiefeln. Blacklord fasste ihn am Arm. Sie gingen ein Stück geradeaus. Dann begannen ihre Schritte zu hallen. Offenbar befanden sie sich unter einem Torbogen. Eine schwere Tür wurde quietschend geöffnet. Dann stiegen sie eine schier unendliche Zahl von Treppenstufen abwärts. Die Luft wurde nass und kalt. Eine weitere Tür gab kreischende Laute von sich. Coin spürte den harten Druck von Blacklords Hand auf seiner Schulter.
"Setz dich!" , hallte seine Stimme durch den Raum. "Wir sind am Ort des Geschehens angekommen. Diese ehrwürdigen Wände werden einzige Zeugen dafür sein, ob du geeignet bist, noch größere Aufgaben zu übernehmen, oder ob wir dich zurücksinken lassen müssen in das riesige Heer der namenlosen Feiglinge."
Seine Stimme bekam in diesem Gewölbe einen suggestiv-feierlichen Klang.
"Wenn du diese Aufgabe zufriedenstellend löst, wirst du nicht mehr Coin heißen. Ein besserer Name ist schon für dich ausersehen, ein Name, der deinen neuen Fähigkeiten entspricht."
In die tiefe Stille, die diesen Worten folgte, erklang plötzlich ein Klirren und Rasseln. Die Türe hatte sich noch einmal geöffnet und war wieder geschlossen worden. Ein unwirkliches, sehr tierhaftes Fauchen schloss sich an.
"Du hörst es", fuhr Blacklord fort. " Die Stunde der Katze hat geschlagen."
Er zog Coin die undurchsichtige Kapuze vom Kopf.
"Es ist eine hungrige und sehr wilde Katze. Deine Aufgabe ist es, sie zu töten."
Obwohl sich Coins Augen bestimmt schon an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er nichts. Der Raum war völlig lichtlos. "Du hast die ganze Nacht Zeit. Danach wirst du ein anderer sein. Glaub` es mir!"
Wieder dieses Rasseln an der Tür. Ein blendendweißer Lichtstreifen raste durch das Gewölbe und wurde von dem sich schließenden Türblatt abgeschnitten. Coin begann zu frieren. Gott, wie allein er sich fühlte. Die Katze ist doch viel kleiner als du, versuchte er sich zu beruhigen. Dafür hat sie vier Sätze mit je fünf Krallen und verdammt spitze Zähne. Du hast auch Zähne. Bin ich Alf? Ich beiß doch in keine Katze. So ging es in ihm hin und her. Wie soll ich das Mistvieh nur kriegen? Einfach rumsuchen? Die Hände ausstrecken und meine Finger der Katze entgegenstrecken? Sie ist hungrig, dachte Coin. Sie kriegt mich.
Er legte sich auf den Boden und wartete. Eine halbe Ewigkeit später fühlte er etwas Haariges über sein Gesicht fahren. Brutal kämpfte er die innere Panik nieder, die sofort in ihm aufflammte. Er griff blitzschnell in die schwarze Dunkelheit... und hatte sie. Sie fauchte und schrie, dass es ihm in den Ohren gellte. Nie hätte Coin geahnt, dass eine Katze so laut schreien
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