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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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den Kampf auf und wurde von Stan in die Garderobe geschleppt. Olly kroch wie ein Schwerkranker über die Bühne. Der Saal kochte. Mit mehreren Slides deutete Kevin das Herabfallen des Feuerballs an. Und während seiner theatralischen Bemühungen, der Gitarre feurig zischende Töne zu entringen, stieß er an den Mikroständer. Der fiel um und traf Olly, der sich gerade vor ihm über den Boden schob, schweißüberströmt. Riesige Funkenkaskaden sprangen auf. Olly zuckte noch ein paar Mal im Hardrockrhythmus. Dann bewegte er sich nicht mehr. Die Band hörte auf zu spielen. Stille fiel ein. Ollys Haut qualmte, als würde er von innen glühen.
    Blitzlichter. Niemand traute sich, Olly anzufassen. Bis auf Herbie waren alle fassungslos. Er allein wusste, was in diesem Augenblick geschehen war: DEATHVILLE war gerade berühmt geworden.
     
    *****
     
    Nur vier Wochen später war allen deutlich, dass Herbie mit seiner Voraussage recht behalten hatte. Sie wurden berühmt, jedenfalls in der Heavy Metal Szene.
    ROCK IT, ROCKHARD und METAL HAMMER brachten Artikel, die mit Bildern von der furiosen Claudia aufgepeppt waren. Die spezielle Death Rock Szene kommentierte vor allem die Sechmethgeschichte in Zusammenhang mit Ollys Tod. Sie brachten auch etliche Bilder von Olly, qualmend im Todeskampf. Und die Bilder, die den Zeitungen zu krass erschienen, tauchten kurze Zeit später auf den Websites der Szene auf.
    Selbst Claudia war von diesem "Ruhm" mitbetroffen, obwohl sie musikalisch für DEATHVILLE zunächst keine Rolle spielte. Sie hatte die Szene so gut gespielt, dass die Bandmitglieder sie baten, sozusagen standardmäßig die Sechmeth darzustellen. Plötzlich war sie die einzige Frau in der Band. Sie ließen sie auch singen. Und tatsächlich erwies sich ihre Stimme als ausgesprochen brauchbar. Aber ihre Spezialrolle war die Sechmeth. Obwohl nicht nur bei ihr, sondern auch bei den anderen Bandmitgliedern durchaus seltsame Gefühle in der Erinnerung an Ollys Tod entstanden. Gerade Kevin machte es schwer zu schaffen, dass er Olly gewissermaßen mit einem Gitarrenslide und einer unglücklichen Bewegung ins Jenseits befördert hatte. Die folgende polizeiliche Untersuchung war auch nicht gerade angenehm gewesen, hatte als Ergebnis aber das beruhigende Wort: Unfall.
    Als Begleitgruppe von BONFIRE zog DEATHVILLE durchs ganze Land. Das schlauchte sie alle ganz schön. Alle sehnten sich nach den gemütlichen Tagen in der alten Kokerei und nach dem Ruhrgebiet zurück.
    Coin traf das Heimweh besonders hart. Ihn zog es zu seinem Schwarzen Orden. Zwar hatte ihn Murmel, sein sanftes, weiches Schmusetier, überallhin begleitet. Murmel war für ihn ein tragbares Stück Heimat. Aber sein wirkliches Zuhause war der Schwarze Orden. Schon nach drei Wochen Tournee meinte er, es nicht mehr aushalten zu können. So verzog er sich nach ihrem triumphalen Auftritt in München heimlich, still und leise und trampte zurück ins Ruhrgebiet.
    Coin hatte keine Ahnung, wer wirklich hinter dem Schwarzen Orden stand. Neofaschistische, uraltfaschistische und klassenkämpferische Parolen waren ihm zwanglos miteinander vermengt um die Ohren geflogen. Kontakt hatte er durch eine Wehrsportgruppe am Niederrhein bekommen, der er sich angeschlossen hatte, als es ihm aufgrund seiner persönlichen Situation wirklich dreckig ging. Die hatte ihn zu einer rechten Splitterpartei nach Duisburg geführt. Deren "Türken raus"-Veranstaltungen hatten ihn ungeheuer gelangweilt. Aber dann hatte er Blacklord getroffen. Und mit ihm begann Coins Geschichte mit dem Schwarzen Orden.
    Körperlich war Coin gut dabei. In der Wehrsportgruppe hatte er viel über Streetfighting erfahren und ihn auch trainiert. Ihm fehlte nur noch der Killertrieb, jedenfalls aus der Sicht des Schwarzen Ordens. So wurde Blacklord sein Mentor, der ihn in die Ästhetik des Tötens einführen sollte. Natürlich nannte Blacklord das Lernziel nicht "Killertrieb". Er sprach von "völkisch verwurzeltem Selbstbewusstsein". Blacklord lehnte die Prügeleien der Skinheads in Hannover nicht gerade ab, aber er bezeichnete sie als uneffektiv. Dieses "Türkenklatschen", dem ab und zu auch noch richtige deutsche Rentner und Hausfrauen zum Opfer fielen, wenn sie sich einzumischen wagten, war ihm zu ungezielt. Er führte Coin ganz langsam in die Gedankenwelt des Tötens ein, indem er ihn an seine eigene Todesangst erinnerte.
    "Der wichtigste Schritt zu einem stabilen Selbstbewusstsein führt über die Überwindung der Todesangst", war

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