Mondgeschöpfe (Phobos)
Sorgen teilnehmen zu lassen.
"Vielleicht hätten Sie sich das etwas eher fragen sollen", gab ich zurück und begann mit der Linken die Splitter von meiner Faust abzustreifen. Einige brachen ab.
"Das muss verbunden werden", gab sich der Weißkittel weiter menschlich. In der Helferrolle schien er sich etwas sicherer zu fühlen. Aber ich gab ihm keine Chance.
"Quatsch!", setzte ich ihm entgegen. "Was soll mir schon passieren?" Ich rammte dem Professor die Faust direkt vor das Gesicht, konzentrierte mich auf Melachois. Melachois setzt die Blutbahnen und das Lymphsystem unter enormen Druck. Es handelt sich offenbar um eine körperinterne Art von Telekinese). Vor des Professors entsetztem Blick drückten sich die abgebrochenen Glasspitzen wie von selbst aus den offenen Wunden heraus.
"Das macht mir so leicht keiner nach, was Doc?", lachte ich den Weißkittel an, der nicht wusste, ob er es glauben sollte, was er da sah. Gnädig ließ ich noch ein wenig Blut von meiner Hand in eines der zersplitterten Messröhrchen tröpfeln. Dann befand ich, dass sie jetzt genug Angst gehabt hatten. Das war nun mein vierter Auftritt im Institut gewesen, und jedes Mal hatte ich ihnen etwas Neues geboten, über das sie nachgrübeln konnten. Und meine Möglichkeiten waren noch lange nicht erschöpft. Kalte, weiße Mondflammen begannen in meinem Herzen zu lodern. Ich würde sie bezahlen lassen für das, was sie mir und den anderen angetan hatten. Langen Schrittes eilte ich aus dem Labor, durchquerte das Büro, schickte noch einen meiner Pyroblicke in die Runde, die mir in Augenblicken starker Erregung gegeben sind. Alle im Raum befindlichen Thermometer zersprangen. Die Menschen griffen sich an den Hals und röchelten; denn einen Augenblick lang atmeten sie flüssiges Eisen. Die Akten auf den Tischen flammten auf, der Fußboden warf Blasen. Ich hielt mich nicht auf, sondern verließ das Labor und lief ohne Verzug die Treppen hinunter.
Vor dem großen Betonsarg empfing mich die reine Dunkelheit, die von den weißen Strahlen des halben Mondes zerschnitten wurden. In dieser Wüste aus Glas und Eisenbeton heulten keine Hunde. Noch nicht, dachte ich, aber eines Tages könnte es wieder so werden.
Renfield wartete zusammengekauert im Wagen. Seine hospitalistischen Schwankungen hatte er zwar eingestellt, aber die Furcht vor mir hatte eine erhebliche Zahl harter Linien in sein schwabbeliges Gesicht gekerbt.
Ich setzte mich ans Steuer und fuhr zur alten Fabrik, meinem Lieblingsschlupfwinkel in dieser Stadt. Der Fortschritt war aus den alten Hallen ausgezogen und hatte ein Skelett aus rostigen Stahlträgern, aufgefüllt mit bröckeligem schwarzem Mauerwerk zurückgelassen. Ich fuhr den Wagen in das riesige schwarze Loch, das in besseren Zeiten als Fertigungsausgang gedient hatte. Wir stiegen beide aus und kletterten vorsichtig die feuchten Stufen in die riesigen Kellergewölbe hinab. Hier hatte unter Tage die Stahlproduktion im zweiten Weltkrieg stattgefunden, während über Tage schon alles in Trümmern lag. Kilometerweise unterzogen die nun lichtlosen Werkshallen mit ihren zahllosen Verbindungsgängen die Stadt.
Zielsicher steuerte ich mein Hauptquartier an, während Renfiel mir mit klappernden Zähnen folgte. In der Tiefe stießen wir auf eine riesige Halle, in der ich alles gelagert hatte, was ich für mein Undergroundleben brauchte. Die Halle war groß wie ein Fußballfeld und dunkel wie die Tiefsee.
Ich schaltete das Licht an. Gleich nachdem ich hierhergekommen war, hatte ich das öffentliche Stromnetz angezapft.
Renfield war tief beeindruckt von der Größe und der Stille des Raumes stehengeblieben. Sein staunender Blick fiel auf die Beutestücke meiner nächtlichen Raubzüge, insbesondere den Proviant aus den Supermärkten. Von irgendwas muss der Mensch leben, selbst wenn er kein richtiger Mensch ist.
Wir setzten uns in die Mitte der Riesenhalle, wo ich eine Art Wohnzimmer arrangiert hatte, inklusive einer kleinen Küche mit Vorratsschrank. Ratten gab es keine mehr, seitdem ich hier hauste.
"Renfield!", begann ich, und die Weite der Halle gab meiner Stimme etwas Donnergrollendes. "Renfield! Wir haben in dieser Nacht noch viel zu tun."
"Ich heiße nicht Renfield", stotterte mein Gegenüber. "Ich heiße Timo."
"Timo! Timo!" Ich keuchte vor Lachen. "Timo, der Schrecken der zivilisierten Welt."
Das Echo der Wände in den tiefen Gängen ließ zehn unsichtbare Monster mitlachen. Dann entgegnete ich ihm mit scharfer Stimme: "Natürlich
Weitere Kostenlose Bücher