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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Unglaubliche Kraft durchrieselte mich.
    Ich lief an den riesigen Blocks der einzelnen Abteilungen vorüber. Jedes ragte zwölf Stockwerke in die Höhe und war etwa fünfhundert Meter lang. Von weitem sahen sie aus wie riesige Betonsärge, die Werke eines genial einfältigen Architekten, der im Hauptberuf wahrscheinlich Buchhalter war.
    Die Kraft zwang mich, meine riesigen Glieder zu strecken und zu dehnen. Renfield, der mich heimlich aus dem Auto heraus betrachtete, rutschte noch ein wenig tiefer in seinen Sitz, als ihm klar wurde, mit wem er sich da eingelassen hatte. Sehr befriedigt setzte ich mich in Bewegung. Im Schreiten und Gehen, im Steigen der Treppen begann mir immer mehr dieser animalischen Energie zuzufließen, die die schmalbrüstigen Herren Professoren so gerne aus mir herausdestilliert hätten. Vielleicht hofften diese ausgetrockneten Biochemiker, dass sie diese Kraft eines Tages auf Flaschen ziehen könnten, um ihre debilen Körper damit aufzumotzen. Für mich war das Überfluten mit dieser geheimnisvollen Energie fast so schön, wie wütend zu werden. Fast.
    Ich dachte an die geile Freude in den Gesichtern der Forscher, wenn sie die Zahlenkolonnen lasen, die die Drucker ausspuckten. Alles an mir hatten sie gemessen: Die Gehirnfrequenzen, die Hautwiderstände, die hormonellen Veränderungen, die Blutdruckschwankungen. Sie messen es, weil sie es mir eines Tages wegnehmen wollen. Aber, dachte ich belustigt, wie Graf Dracula es sagen würde: Satt wird, wer als letzter trinkt.
    Gelöst und gleichzeitig wachsam betrat ich die naturwissenschaftliche Abteilung, verzichtete auf den Aufzug und lief die Treppe hinauf. Im zwölften Stock (Molekular Biologie) angekommen versperrte mir eine große, graue Doppeltüre den Weg. Ich bedachte kurz den Stil meines heutigen Auftritts und entschied mich dann gelassen für das A uftreten als SEK (Sondereinsatzkommando der Polizei). Ich entspannte mich für einen Augenblick, nahm einen kurzen Anlauf und sprang. In der Luft zog ich die Füße an. Als mich der Schwung in die Türnähe trug, streckte ich mich mit der ganzen Kraft meines wölfischen Körpers, so dass meine Füße mit der Gewalt einer Sprengladung die Türflügel aufstießen. Mit Kreischen und Krachen flogen sie auf und klatschten an die Wände. Ein Flügel löste sich ganz aus der Füllung, segelte ins Büro, rutschte über den Plastikboden. Menschen schrien, Münder weiteten sich.
    Ich mag das.
    Einer der erschreckten Forscher verbog nach dem ersten Schrecken sein Gesicht zur jovialen Maske.
    "Ah, Lycian!", brachte er hervor. "Sie sind es!"
    "Wer sonst?", gab ich munter zurück, der ich hier unter dem Künstlernamen Lycian geführt wurde. Ich fand diesen Namen wirklich gut. Meinen tatsächlichen würde ich wohl nie mehr erfahren. Das hatte ich mit den Kindern des Lebensborns gemeinsam.
    Ich steuerte forsch an dem Forscher vo rbei in Richtung Laboratorium. "Machen wir heute den Bisswundentest? Wo sind die Versuchskaninchen?"
    Der zunehmende Mond kreiste in meinem Herzen und machte mich ein wenig übermütig. Die MTA im Labor suchte hinter dem Operationstisch Deckung. Mein Gebiss warf im Lichte der Operationsleuchte weiße Blitze. Ich setzte mich auf den Tisch.
    "Nein!", beantwortete der Professor meine Frage. "Keine Bisswunden. Heute sind nur die Blutkontrollen dran."
    "Wessen Blut, Doc?", fragte ich und sah mich mit gewollt niederträchtigen Blicken um. Die MTA rutschte ganz unter den Tisch. Der Professor suchte unsicher nach einer passenden Antwort auf diese dumme Frage. Da drehte ich mich schwungvoll zu ihm herum und schlug haarscharf an seinem Gesicht vorbei einen sehr geraden Schlag, der vor allem die Knöchel des Zeige- und des Mittelfingers auftreffen lässt, eine Kempotechnik (Kempo = chinesisches Karate). Meine Hand durchschlug das dicke Glas des Instrumentenschrankes hinter dem erblassten Forscher, zermalmte etliche Messgläser und drückte schließlich noch eine dicke Beule in die metallene Rückwand. Ich zog meine Hand aus dem Schrank und hielt sie dem Professor unter die Nase. Sie sah aus wie ein gläserner Igel. Mein Blut tropfte auf den Plastikboden.
    "Bedienen Sie sich!", forderte ich den Forscher auf. Dessen Kittel und sein Gesicht glichen sich farblich immer mehr einander an. Er winkte die MTA mit mühsam beherrschter Hand heran, um mein kostbares Blut für die kommenden Untersuchungen aufzufangen.
    "Was soll ich nur mit Ihnen anfangen?", stöhnte der Weißkittel und versuchte mich an seinen

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