Mondglanz
Tertius?
»Ich glaube, das reicht für den Moment«, antworte ich schließlich.
»Willst du mir gar nicht sagen, wie sehr du mich liebst?«, fragt er spöttisch. »Wie sehr du dich danach sehnst, wieder mit mir zusammen zu sein?«
Er denkt also, was ich gesehen habe, hätte meine Einstellung zu ihm verändert, doch ich komme hoch auf die Knie, blicke ihm in die Augen und sage: »Man kann jemanden auch lieben, wenn man nicht gutheißt, was er getan hat. Ich wünschte, all das wäre nicht nötig gewesen, und ich wünschte, es hätte dich nicht so mitgenommen. Aber dass ich gesehen habe, was du auf Lachion getan hast, ändert nichts an dem, was ich fühle.«
Ich bin selbst überrascht, mich das sagen zu hören, aber es stimmt. Ich wünschte, ich könnte mich in seine Arme legen und ihm mit meinem Körper den Schmerz nehmen, aber ich habe Angst, was dann passieren würde. Ich bin weder blind noch dumm, und ich will nicht sterben.
Marsch hat diesen Vernichtungsfeldzug nicht zum Spaß geführt. Er ist in den Krieg gezogen, um das Leben von Menschen zu retten, die ihm nahestehen, und die McCulloughs hatten diesen Krieg angefangen. Jetzt muss er damit zurechtkommen, aber allein wird er das nicht schaffen. Er versucht alles, um mich loszuwerden, doch das werde ich nicht zulassen.
Marsch schüttelt den Kopf. »Du könntest es nicht ertragen, allein zu sein, oder?«
Seine Worte tun weh, aber ich schüttle den Schmerz ab. »Nein. Ich könnte nicht ertragen zu verlieren, was wir haben.«
Erst an seinem überraschten Gesichtsausdruck merke ich, dass ich in der Gegenwart gesprochen habe.
Seine Miene wird ein kleines bisschen weicher, während ich weiterspreche. »Ich möchte dir helfen. Ich weiß nur nicht, wie.«
»Noch nie hat mich jemand so geliebt wie du«, flüstert er wie gegen seinen Willen.
Ich lächle. »Kai hat mir das beigebracht. Der, von dem du nicht willst, dass ich an ihn denke. Ich hab nicht gewusst, wie man jemanden wirklich liebt, bevor er mir es gezeigt hat.«
Eine Weile ringt er um Worte, und als er spricht, klingt seine Stimme rau und heiser. »Dann sollte ich wahrscheinlich dankbar sein statt eifersüchtig.«
»Welchem Grund hättest du, eifersüchtig auf ihn zu sein?« Die Frage kommt einfach so aus mir heraus. »Er ist tot .«
Marsch zuckt mit den Schultern. »Er ist immer noch in dir, da, wo ich nicht hinkomme.«
»Kai war wie die Sonne, und er hat mich bis in die letzte Faser durchdrungen. Du bist eher wie ein Regensturm, aber du bist mindestens genauso tief in mich eingedrungen.«
Seine Mundwinkel zucken. »Nicht in letzter Zeit.«
Er kann also doch noch Witze machen. »Das habe ich nicht gemeint. Aber da wir gerade dabei sind: Wovon hast du letzte Nacht geträumt?«
Letzte Nacht, als er versucht hat, mich zu erwürgen.
Marsch schweigt und denkt nach. Lange.
»In der Nacht, nachdem du weg warst, konnten wir nicht zurück ins Camp«, sagt er endlich. »Wir mussten in den Tunneln schlafen und haben Wachschichten eingeteilt. Der Kerl von der vierten Schicht war noch jung. Er muss eingeschlafen sein. Ich bin aufgewacht mit einem McCullough über mir und konnte mich gerade noch unter seinem Messer wegrollen.« Marsch sieht mich nicht an, während er weiterspricht. »Ich habe ihn mit bloßen Händen erwürgt. Als ich mich im Schlaf umgedreht habe und gegen dich gestoßen bin, muss ich geglaubt haben …«
»… du wärst wieder in den Tunneln«, beende ich den Satz für ihn. »Weil du es nicht mehr gewohnt bist, neben mir zu schlafen.«
»Verteidige mich nicht, Jax. Etwas stimmt nicht mit mir. Bestimmt gibt es einen Namen dafür, einen Fachausdruck für meinen Zustand, und sehr wahrscheinlich muss dieser Zustand mit weit stärkeren Medikamenten behandelt werden, als ich sie nehme. Oder ich muss in Sicherheitsverwahrung … Es interessiert mich nicht mehr.«
Ich runzle die Stirn. »Warum hast du mich dann nicht einfach erwürgt?«
Damit habe ich ihn kalt erwischt, doch schließlich meint er lakonisch: »Ich töte keine Frauen und Kinder.«
Es steckt mehr dahinter, und Marsch weiß das. Er ist nicht unrettbar verloren, nur schwer gezeichnet und hin- und hergerissen zwischen der Erinnerung, wie es einmal zwischen uns war, und der verführerischen Aussicht auf ein Leben ohne Angst, Schmerz oder Reue. Ich verstehe den Wunsch, aber er ist falsch.
Wenn ich doch nur in ihn eintauchen könnte, wie Mair es getan hat. Sie konnte in ihn hineinschlüpfen und sich doch umsehen. Wenn ich doch nur
Weitere Kostenlose Bücher