Mondglanz
er mit einer Hand den Kopf des jungen Kämpfers fest, während er mit der anderen die Klinge unterhalb des Kinns ansetzt und zustößt. Wie ein Kanal führen die Schädelknochen sie direkt ins Gehirn, der Tod tritt praktisch sofort ein.
Irgendjemand weint, leise und schluchzend.
Kein Mann sollte je solche Laute von sich geben müssen.
Wir gehen weiter, und mit einer schnellen Bewegung bringt Marsch das Schluchzen zum Verstummen. Einem nach dem anderen löscht er mit seinem Messer das Lebenslicht aus und zögert dabei nicht länger, als ich es tun würde, bevor ich eine Mücke erschlage. Mit jeder Exekution driftet er weiter weg, bis er wie ein ruderloses Boot in einer endlosen dunklen See treibt.
Weiter. Wir finden noch zwei Lager der McCulloughs. Sie sind zu schwach zum Kämpfen, und manche von ihnen winseln um ihr Leben, schwören, Lachion zu verlassen und alle Verbindungen zu ihrem Klan zu kappen. Aber Marsch ist unerbittlich.
Ich begreife den Gedanken, der dahintersteht. Er will ein Exempel statuieren, allen Klans unmissverständlich klarmachen, was sie erwartet, wenn sie sich mit Gunnar-Dahlgren anlegen. In der Theorie mag das nachvollziehbar sein, aber wenn ein Mensch vor einem kniet und um Gnade fehlt, die man ihm nicht gewährt … Es lässt sich nicht in Worte fassen.
Hinter uns höre ich seinen Trupp, Stiefel auf dem Felsboden, doch keiner spricht ein Wort. Sind sie froh, ihren Feind so dahingerafft zu sehen, oder müde und von Grauen gepackt, so wie ich es bin, und das nach der kurzen Zeit, die ich in Marschs Erinnerungen verbracht habe? Ich habe keine Ahnung, wie er es geschafft hat, nicht zum gewissenlosen Monster zu werden. Marsch selbst aber würde wahrscheinlich sagen, dass genau das mit ihm passiert ist.
In der Entfernung vernehme ich das grausige Kreischen der Teras und die Schreie der Männer, über die sie herfallen, um sie zu verschlingen. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis der Letzte verstummt ist. Aber das macht alles nur noch schlimmer. Ich will mich umdrehen, sehen, wie Marschs Kämpfer darauf reagieren.
Doch Marsch dreht sich nicht um. Schließlich vibriert das Com in seiner Oberschenkeltasche, und er holt es hervor. »Ja«, sagt er halblaut.
»Keine Anzeichen von Leben mehr«, höre ich eine männliche Stimme. »Die Tunnel sind sauber.«
»Zeit, es zu Ende zu bringen«, erwidert Marsch. »Alle Einheiten sollen sich in neunzig Minuten im Basislager sammeln.«
»Verstanden. Ich gebe es weiter. Dirg Eins Ende.«
»Dirg« bedeutet in der Klansprache soviel wie »Totengesang«, wenn ich mich recht entsinne. Kälte erfasst mich. Ich möchte fragen, was als Nächstes kommt, aber ich bin nur passive Beobachterin, kann nichts tun, nicht eingreifen. Vielleicht später.
Das Gute an seinen Erinnerungen ist, dass er weglassen kann, was er will. Marsch springt in der Zeit nach vorn und erspart mir den Weg zurück ins Basislager. Wir warten, bis die anderen Trupps eintreffen. Sie sind verdreckt, erschöpft und blutverschmiert.
Zu einer Patrouille gehören zehn Kämpfer, für größere Trupps sind die engen Tunnel nicht geeignet. Sie haben Verluste erlitten, doch die halten sich in Grenzen, da sie die Tunnel als Rückzugsmöglichkeit nutzen konnten. Mair verfügte über die nahezu unheimliche Gabe, all das vorherzusehen, was geschehen ist, und so konnten alle nötigen Maßnahmen ergriffen werden.
Sie stellen sich vor Marsch auf, und an der Art, wie sie ihn ansehen, merke ich, dass er einer von ihnen ist. Ihr General, wenn nicht sogar ihr Oberhaupt. Erst jetzt wird mir das klar. Seine Verbindung zu Gunnar-Dahlgren ist eng und kompliziert, und er wird den Klan nie im Stich lassen; aufgrund von Mairs Intervention wird sein Leben nie wieder ganz ihm gehören.
Wenn Keri ihn um Hilfe bittet, bekommt sie die auch. Jederzeit. Und egal, wie kindisch das sein mag, es erfüllt mich mit Eifersucht. Dabei ist nichts Romantisches an der Beziehung zwischen den beiden. Er kennt Keri, seit sie ein Kind war, und sieht in ihr eher die Schwester, die er verloren hat. Mair hat ihm aufgetragen, Keri zu beschützen, und genau das tut er, ganz gleich, was es ihn kostet.
Er wartet, bis alle verstummt sind, bevor er zu ihnen spricht. »Es ist Zeit, dass wir in die Offensive gehen. Eins unserer Vorratslager ist ganz in der Nähe. Wir gehen raus an die Oberfläche und holen uns dort unsere Ausrüstung. Zwei Rover werden uns zum McCullough-Komplex bringen. Sie haben keine Fluchtmöglichkeit. Wir haben viele von
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