Mondherz
ihre Gesichter dumm und grob erscheinen. »Wer bist denn du?«, fauchte der eine und hob seinen Ast. »Willst dich wohl auf die Seite der Zigeuner schlagen?«
»Ja, das will ich, weil ihr nur einen Grund zum Prügeln sucht«, entgegnete sie, und ihre Stimme vibrierte vor Wut. »Verschwindet von hier!«
»Erst wenn wir ihnen den Hintern versohlt haben«, meinte ein anderer grimmig. »Immerhin haben sie unserem Herrn Jesus sogar die Nägel vom Kreuz gestohlen!« Er starrte sie so finster an, als vermute er auch in ihr Zigeunerblut. »Wenn du nicht gehst, verprügeln wir dich auch.«
»Ach ja?« Sie stemmte die Hände in die Hüften. Zu dritt fühlten sich die Burschen stark, doch dank ihrer Wölfin hatte sie keine Angst vor ihnen. »Ich bin die Tochter eines Grafen und Gast in der Burg der Gräfin Hunyadi. Wenn ihr mir ein Haar krümmt, werden euch die Burgwachen wie räudige Hunde verdreschen!«
Ungläubig stierten die Jungen sie an. Der dritte, der wohl der Klügste von ihnen war, fasste sich zuerst. Sein Blick wanderte langsam über ihre Hände, die von keiner Arbeit verunstaltet waren, ihren kostbaren Armreif und ihr Schuhwerk, das zwar einfach war, das sich aber keiner von ihnen je würde leisten können. Er runzelte die Stirn, während er überlegte. Endlich ließ er seinen Stecken fallen. »Gut, wir gehen«, sagte er und fasste seine beiden Kameraden am Arm. »Edle Dame.« Er nickte in ihre Richtung und zog die anderen Jungen hinter sich her, jedoch nicht ohne noch einmal vor den Zigeunerkindern auf den Boden zu spucken.
Veronika ignorierte dies, und während ihre Wölfin noch aufmerksam den leiser werdenden Schritten der Jungen lauschte, musterte sie neugierig die beiden Zigeunerkinder. Noch nie hatte sie solche Leute gesehen, obwohl sie bereits zahlreiche Geschichten über sie kannte. Vagabunden waren sie, die von Dorf zu Dorf zogen und sich als Kesselflicker ihr Brot verdienten, wenn sie es nicht einfach stahlen. Aus Ägypten stammten sie ursprünglich, hieß es, und wegen ihrer fremden Sitten wurden sie vielerorts verdächtigt, heidnische Götter anzubeten. Die beiden Kinder sahen jedoch harmlos aus. Mit ihren aufgerissenen dunklen Augen erinnerten sie Veronika an verängstigte Welpen. Sie lächelte freundlich, um sie nicht noch mehr zu verschrecken.
»Ich tu euch nichts«, sagte sie, denn der eine von ihnen hielt immer noch das Messer umklammert. Doch sie reagierten nicht auf ihre Worte. Vielleicht verstanden sie sie nicht? Mager waren sie, und ihre Hemden waren nur notdürftig geflickt. Aus einem plötzlichen Impuls heraus hielt sie ihnen den Korb mit den Pilzen hin. »Wollt ihr sie haben?«, fragte sie. »Im Wald gibt es genug, ich werde für mich einfach neue sammeln.«
Die Kinder regten sich jedoch auch darauf nicht. Da ertönten neue Schritte, jemand kam hinter den Büschen den Weg entlang. Es waren leichte, beschwingte Tritte, und als Veronika sich zu ihnen umdrehte, bog eine Frau um die Ecke, die kaum älter war als sie. Ihre schwarzen Haare hingen ihr offen bis auf die Hüfte herab, und goldene Ohrringe und Halsketten klimperten auf ihrer dunklen Haut. Ihr Kleid war aus verschiedenen Stoffen so bunt zusammengewürfelt, wie Veronika es noch nie gesehen hatte. Sie musste auch eine Zigeunerin sein, und Veronika fand sie mit den leuchtenden Augen und dem vollen, roten Mund so wunderschön wie eine exotische Blume.
Die junge Frau blieb so abrupt stehen, dass sich ihr Rock um die Waden bauschte. Misstrauisch verengten sich ihre Augen, als sie Veronika musterte, doch als sie die beiden Kinder sah, weiteten sich ihre Augen vor Schreck. In einer fremden Sprache rief sie ihnen etwas zu. Die Kinder regten sich endlich und antworteten in der gleichen Sprache. Ohne Veronika weiter zu beachten, eilte die Frau an die Seite der Kinder. Sie nahm dem einen, das eifrig auf sie einplapperte, das Messer aus der Hand, und schloss das andere fürsorglich in ihre Arme. Dann erst wandte sie sich zu Veronika um. Ihre dunklen Augen waren immer noch aufgerissen, dieses Mal vor Neugier. Und etwas anderes lag darin, das Veronika nicht deuten konnte.
»Danke, dass du meine Neffen gerettet hast«, sagte die Frau auf Ungarisch mit einem weichen, singenden Akzent.
Veronika fühlte sich plötzlich fehl am Platz. Verlegen hob sie die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Das war nur meine Pflicht«, erwiderte sie.
Die Frau kam rasch auf sie zu. »Du weißt, wer wir sind?«
»Ihr seid Zigeuner.«
»Wir selbst nennen uns
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