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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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investiert hatte, wahrscheinlich aus goldenen Schüsseln speiste. Veronika verging der Appetit, während sie über diese Ungerechtigkeit nachsann.
    Auch die Gräfin rührte kaum einen Bissen an. Ihr Gesicht war von ungeduldigem Ärger verzerrt. Schließlich brach es unvermittelt aus ihr heraus: »Der Regent Cilli hat es geschafft! Der König hat Belgrad zurückgefordert.«
    »Was?« Veronika verschluckte sich fast, während sie die Nachricht rasch überdachte. Sie musste ihre Worte mit Bedacht wählen. Keiner in Temeschburg wusste, dass Ulrich Cilli Veronikas Onkel war. Und dabei sollte es auch bleiben.
    »Herrin, Ihr wisst, dass ich auf Eurer Seite stehe«, meinte sie bedrückt. »Der König handelt unrecht, wenn er dies wirklich von Eurer Familie verlangt.«
    »Er verlangt es nicht nur, er fordert es nachdrücklich«, erwiderte die Gräfin finster. »Mein Bruder schreibt, dass Cilli behauptet, mein Mann hätte aus der Staatskasse Geld gestohlen. Das will der König nun zurück, außerdem jede Festung, die er uns als Lehen übereignet hat.« Plötzlich schimmerten in ihren Augen Tränen, doch nicht vor Trauer, sondern vor Zorn. »Er zieht den Ruf des größten Feldherrn Ungarns in den Schmutz, dieser dumme Bub von einem König, und meine Söhne müssen darunter leiden. Mein armer Mathias, sie werden ihn am Hof schmähen und verspotten. Und Laszlo sollte der Herr über Belgrad sein, schließlich hat er an der Seite seines Vaters diese Stadt gerettet!«
    Veronika schob ihren Teller zur Seite. »Was werden Laszlo und Michael tun?«
    »Ich hoffe, dass sie nicht nach Buda reisen werden, um sich persönlich gegen die Anschuldigungen zu wehren.« Das hagere Gesicht der Gräfin brannte vor Wut. »Niemals dürfen meine beiden Söhne gleichzeitig bei Hofe weilen, das habe ich ihnen ausdrücklich verboten! Wenn Cilli sie zusammen in die Finger bekommt, wer weiß, was er ihnen antut!«
    Veronika nickte. Ihr Onkel war skrupellos, das konnte sie sich inzwischen eingestehen. »Kann Eure Familie den Vorwurf des Diebstahls widerlegen?«, fragte sie. »Es gibt doch sicher Dokumente, die zeigen, woher das Geld kam, mit dem das Heer bezahlt wurde.«
    Die Gräfin runzelte die Stirn. »Das könnte sein«, gab sie zu. »Ich weise den Kämmerer an, die Papiere zu prüfen und dann an Laszlo nach Belgrad zu schicken. Wenn mein Sohn nur nichts Unbedachtes tut. Er hat den Jähzorn meines Mannes geerbt.«
    Nicht nur seinen, dachte Veronika. Sie war überrascht, dass Frau Hunyadi ihr gegenüber so offen sprach, doch sie ahnte die Gründe dafür. Da die Gräfin um das Geheimnis ihres Wolfsbluts wusste, konnte sie sicher sein, dass Veronika nichts von dem ausplaudern würde, was sie besprachen. Und sie waren die einzigen beiden Frauen in der Burg, die etwas von Politik verstanden.
    Sie gab sich einen Ruck. »Was hat Euer Bruder außerdem noch geschrieben?«, fragte sie.
    »Er wirbt bei den Mitgliedern des Reichstags für Laszlos Position«, sagte die Gräfin. »Er hat ihnen Briefe gesandt, in denen er für eine Neubewaffnung der östlichen Grenzen plädiert, wobei er und Laszlo führende Rollen einnehmen sollen. Gott allein weiß, ob die Stände auf ihn hören, wenn der König es nicht tut.«
    Veronika runzelte die Stirn. Sie wusste nur, dass Gábor nicht viel vom ungarischen Reichstag hielt, einer Versammlung der höchsten Adligen des Landes. Sie sollten unabhängigen Rat erteilen und über die Interessen des Landes bestimmen, stattdessen setzten sich die meisten von ihnen vor allem für jene Dinge ein, die ihnen selbst nützten. Graf Hunyadi war ebenfalls Mitglied des Reichstags gewesen, doch kaum einer dort hatte letztes Jahr seinem Aufruf zu den Waffen gegen die Türken Folge geleistet. Die wenigen allerdings, die auf ihn gehört hatten, würden sich nun vielleicht trauen, auch seinen Sohn zu unterstützen.
    »Es könnte nützlich sein, wenn Ihr auch ein paar Briefe schreibt«, schlug sie nachdenklich vor.
    Die Gräfin nickte grimmig. »Das habe ich vor.«
     
    Als sich Veronika später auf den Weg zurück zu ihrer Kammer machte, dachte sie an Gábor und Miklos. Sie vermisste sie beide. Miklos hatte ihr bereits zwei Briefe in der
Farkas Betük,
der Geheimschrift der Wölfe geschrieben. In seiner wunderbar geschwungenen Schrift sahen selbst die fremden Zeichen vertraut aus, und Tränen, die sie vor Sehnsucht nach ihrem Wolfsbruder vergossen hatte, befleckten inzwischen die Dokumente. Er berichtete in den Briefen vom Neuaufbau Belgrads, der in

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