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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Hand.
    Gábor hechtete zur Tür. Dort stand der andere Wärter, mit weit aufgerissenen Augen. Der Mann fuhr panisch zurück und stolperte.
    »Béla«, schrie er, »Hilfe!« Er griff nach seinem Dolch, doch da war Gábor schon über ihm. Er packte den Mann an Haupthaar und Nacken und riss seinen Kopf herum. Mit einem Knirschen brach das Genick.
    Sofort drehte er sich wieder zur Zelle um. Auf der Pritsche kämpfte Miklos immer noch mit Béla. Beide hatten Bélas Dolch umklammert. Doch mit einem tiefen Ausatmen konzentrierte Miklos seine Kräfte, und mit einem Ruck hatte er das Messer in der Hand. Béla hatte nur Zeit, erstaunt den Mund zu öffnen, da zog Miklos ihm das Messer schon über die Kehle. Mit einem Gurgeln sackte der grobschlächtige Mann zusammen.
    »He!«
    »Wer ist da?«
    »Was geht da vor sich?«
    Aus den anderen Zellen kam ein Durcheinander an aufgeregten Stimmen. Gábor ergriff die Fackel und ging in den Gang. Blasse Gesichter drückten sich an die Gitterluken. Rasch schritt er von einer zur anderen und öffnete die Riegel. Männer taumelten heraus, von der Bewegungslosigkeit der letzten Tage schwach geworden. Er sah sie an. Drei von Laszlo Hunyadis Kommandeuren, sein Beichtpriester, seine zwei Kammerdiener und andere, insgesamt mehr als ein Dutzend. Er sah ihre abgezehrten Gesichter, die Furcht in ihrem Blick. Wenn Miklos und er entkommen wollten, mussten sie sich von diesen Männern trennen.
    Sein Schüler trat neben ihn. In den Händen trug er die Waffen und die beiden Schlüsselbünde der toten Wachen. Gábor nahm sie. Die Waffen und einen Schlüsselbund drückte er einem Kommandeur in die Hand, den er als klugen Mann kannte, den anderen Schlüsselbund behielt er.
    Miklos neben ihm wankte. Die lange Zeit in der menschlichen Gestalt, der wölfische Blutrausch während des Kampfs, er hatte kaum mehr Kraft, sich auf den Beinen zu halten, ohne sich zu verwandeln. Seine Augen glänzten dunkel, und die Narben in seinem Gesicht leuchteten wie im Fieber. Miklos öffnete den Mund und stieß ein heiseres Heulen aus. In dem blutüberströmten Hemd war er ein gespenstischer Anblick, und beunruhigt traten die Männer einen Schritt vor ihm zurück.
    Gábor packte Miklos an den Schultern und drückte ihn auf den Boden. Widerstandslos setzte sich der Junge. Sein Körper bebte, und das Heulen wurde leiser.
    »Er ist verletzt«, erklärte Gábor knapp. »Lasst ihn erst mal sitzen. Folgt mir.« Wie betäubt stiegen die Gefangenen über den Leichnam des Wärters und gingen den Zellengang entlang zur Tür, die nur angelehnt war. Vorsichtig spähte Gábor hinaus, bevor er durch die Tür trat, obwohl seine Ohren ihm schon sagten, dass dort niemand wartete. Rechts und links ging der Felsengang weiter, ehe er vom Dunkel verschluckt wurde.
    »Ihr geht links, von dort haben sie uns damals hierhergebracht«, wies Gábor die Menschen an, die sich hinter ihm durch die Tür drängten.
    »Und Ihr?«, fragte Laszlos Beichtvater, der schon ein alter Mann war, stirnrunzelnd. Die Gefangenschaft hatte die Furchen in seinem Gesicht noch vertieft.
    »Ich muss mich um meinen Schüler kümmern«, erwiderte Gábor. »Ich lasse ihn nicht zurück. Ich verbinde seine Verletzungen, dann kommen wir nach.« Er griff eine Fackel aus einer Wandhalterung, entzündete sie an der brennenden und gab sie dem Priester.
    »Geht«, drängte er. »Bevor sie die beiden Wachen vermissen.«
    »Eins noch.« Der alte Mann packte ihn am Arm. »Wir haben alles mit anhören können. Ich weiß, dass Ihr den Wärter nur angelogen habt. Ihr seid ein guter Mann.« Die anderen nickten oder murmelten zustimmend, doch nicht alle sahen Gábor dabei an.
    »Gott segne Euch«, sagte der Priester. Gábor dankte ihm mit ausdrucksloser Miene. Er hoffte, dass die Gefangenen alle heil hier herauskamen, doch er bezweifelte es. Ohne ein Abschiedswort machten sie sich auf den Weg.
Nur hinaus,
sagten ihre aufgeregten Gesichter. Gábor wollte dasselbe, doch auf andere Weise. Sobald die Männer um eine Kurve des Ganges bogen und ihn nicht mehr sahen, löschte er die Fackel. Aus der halboffenen Tür hörte er ein Grollen, das stetig lauter wurde. Miklos verwandelte sich.
    »Na endlich«, flüsterte Gábor. Er riss sich die Kleider vom Leib und ging in die Knie. Voller Freude warf sich sein Wolf nach vorne und verdrängte alle anderen Gedanken.
    Wenige Minuten später liefen zwei mächtige Wölfe den Gang entlang. Sie folgten nicht den Spuren der Männer, sondern liefen in die andere

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