Mondherz
los«, rief sie und trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust. Tränen zogen glitzernde Spuren auf ihre Wangen. »Lass mich in Ruhe.«
»Ich liebe dich«, murmelte er.
»Was?« Sie ließ ihre Fäuste sinken und starrte ihn ungläubig an.
Ich liebe dich.
Hatte er das gerade wirklich gesagt? Konnte es wahr sein? Sie schüttelte den Kopf, unwillig, ihm zu glauben. Das konnte er nicht ernst meinen.
»Aber wir können nicht zusammen sein, nicht als ein Paar«, fuhr er fort. »Es ist nicht Gottes Wille.«
»Nicht Gottes Wille?«, wiederholte sie dumpf.
Ich liebe dich. Zusammen sein.
In diesem Moment drangen seine Worte wirklich zu ihr durch, klärten sich ihre eigenen Gedanken. Sie sah ihn aufmerksam an. »Wie kann Liebe nicht Gottes Wille sein?«
»Er würde uns verdammen, wenn wir jemals das tun würden, was wir beinahe getan hätten. Das musst du mir glauben.« Er stockte. Seine Kiefer mahlten.
»Ich verstehe es nicht«, rief sie. Die Anspannung in seinem Gesicht verwirrte sie mehr als alles andere. »Lügst du mich an? Soll ich die Zurückweisung so einfacher überwinden?«
Er schüttelte den Kopf. »Keine Lüge. Belass es dabei. Ich muss gehen.« Abrupt ließ er ihre Schultern los und drehte sich von ihr weg.
»Ich hasse dich«, schrie sie, als er die wenigen Schritte zur Tür ging. »Elender!« Doch er wandte sich nicht um.
Als sich die Tür hinter ihm schloss, vergrub sie ihr Gesicht in den Händen. Ihr ganzer Körper zitterte. Sie roch ihn auf ihrer Haut, an ihren Haaren, und plötzlich fühlte sie sich beschmutzt. Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können? Sie hätten sich gepaart wie wilde Tiere, wenn Gábor sich nicht auf seine – und ihre – Ehre besonnen hätte. Er hatte den Wolfstrieb bekämpft, während sie sich ihm ganz hingegeben hatte. Auch wenn sie dankbar hätte sein sollen, sie hasste ihn dafür. Wenn er sie liebte, hätte er das nicht auf diese Weise tun dürfen. Wenn er sie wirklich liebte, hätte er nicht gesagt, dass sie niemals zusammen sein konnten. Sie schluchzte auf vor Schmerz und Wut und Verwirrung.
Ihre Tränen versiegten, während sie sich mit dem Laken so lange die Haut abrieb, bis sie wie Feuer brannte. Dann legte sie sich aufs Bettlager, rollte sich in der hintersten Ecke des Strohsacks zusammen und starrte blicklos in die Dunkelheit.
Sie erwachte vom Geräusch klappernder Hufe. Von draußen drangen sie zu ihr herein, dabei musste es noch früh sein. Ächzend drehte sie sich um, ihre Glieder waren steif. Sie fühlte sich, als wäre sie um Jahre gealtert.
Sie wollte nicht aufstehen, wollte liegen bleiben und dem Schmerz nachspüren, aber als sie draußen vom Hof Stimmen vernahm, erhob sie sich doch. Es war Paulo, den sie reden hörte. Mit fahrigen Bewegungen zog sie ihr Kleid über, ging zum Fenster und lugte hinaus. Der Morgen dämmerte über fahlen Wolkenfeldern, und der Schlamm im Hof sah grau aus.
Der Roma stand vor dem Gasthaus mit Gábor und Miklos zusammen, hinter ihnen die Pferde, die unruhig die Nüstern aneinander rieben. Paulo blickte so erschöpft drein, als wäre er die ganze Nacht geritten, doch Gábor sah nicht viel besser aus. Veronika biss sich auf die Lippen. Sie wollte Gábor nicht anschauen, doch seine schlanke Gestalt zog ihren Blick unwiderstehlich an. Er war blass, und seine Bewegungen wirkten eckiger als sonst.
»Bote überholt mich gestern Abend«, berichtete Paulo in seinem stockenden Singsang. »Reichswappen auf seinem Mantel. Er fragt mich, ob ich zwei Königsverräter gesehen. Ich reite wie der Teufel.« Er holte tief Atem. »Bote ist bestimmt schon in Szolnok, er hat frisches Pferd.«
»Dann müssen wir aufbrechen, bevor jemand bei Jiri nach seinen Gästen fragt«, sagte Gábor grimmig. »Packen wir unsere Sachen. Miklos, du sagst deinem Onkel Bescheid.«
»Bote darf euch nicht sehen«, setzte Paulo hinzu. »Ich glaube, er kennt eure Gesichter.«
»Dann nehmen wir wieder die Pforte am Friedhof. Sie ist breit genug für die Pferde.«
»Was ist mit Veronika?«, fragte Miklos. »Soll ich sie wecken?«
Veronika sah, wie Gábor die Stirn runzelte. Jäh durchfuhr sie Wut mit derselben Heftigkeit wie gestern Abend. Wie konnte er so tun, als hätte er sie vergessen?
»Ja, geh zu ihr«, erwiderte er schließlich. »Richte ihr aus, dass sie nicht mit uns kommen wird. Paulo wird sie zurück nach Temeschburg bringen.«
Nach Temeschburg? Sie fühlte, wie ihr Herz entzweiriss. Das konnte er ihr nicht antun. Ihre Fingernägel
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