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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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wieder gefasst zu haben. Einer der anderen Neuankömmlinge hatte einen Arm um sie gelegt. Jetzt erst erkannte Veronika sein gutmütiges Gesicht wieder. Er war Senando, Solanas Ehemann. Auch die Phuri Dai stand zwischen den anderen, gestützt auf eine der jüngeren Romafrauen. Trotz ihrer augenscheinlichen Schwäche hielt sie ihren greisenhaften Körper aufrecht, und obwohl sie blind war, hielt sie ihr Gesicht aufmerksam in Richtung des Wolfes. Als er schließlich die Reihen der Roma erreichte, wichen sie zurück. Das Tier hinkte zwischen ihnen hindurch auf den Höhleneingang zu.
    Trotz seiner Verletzung strahlte der Wolf so viel Würde aus, dass Veronika Tränen in die Augen stiegen. Bis jetzt hatte sie nicht gewusst, dass ihr Viktor wichtig war. Nicht nur der Wölfin, sondern auch ihrer menschlichen Seite, die ihm eigentlich nicht traute.
    Einer der Reiter, ein großer Mann, der seine langen grauen Haare zu einem komplizierten Zopf gebunden hatte, näherte sich ihm. Der Wolf hob den Kopf und knurrte, und der Roma wich wieder zurück. Ohne einem der Menschen einen weiteren Blick zu schenken, verschwand der Wolf in der Höhle.
    Für einen Moment war es still. Veronika stand am Höhleneingang und zauderte, hin- und hergerissen zwischen ihrer Sorge und dem Wissen, dass er allein sein wollte.
    »Drăculea, verflucht soll die Hure sein, die dich geboren hat!«, zischte da jemand auf Ungarisch. Überrascht drehte Veronika sich um. Es war der Grauhaarige.
    Er hatte die Arme, die in den weiten Trompetenärmeln eines blauen Wollmantels steckten, vor der Brust verschränkt. Im Gegensatz zu den anderen Roma trug er keinerlei Schmuck, und wäre der fremdartige Haarzopf nicht gewesen, hätte er auch ein südländischer Händler sein können. Seine zornigen schwarzen Augen ruhten auf Veronika. Sie spürte jedoch, dass der Zorn nicht ihr galt.
    »Drăculea?« Sie runzelte die Stirn.
    »Es waren seine Söldner, die uns überfallen haben.« Solana löste sich von ihrem Mann und trat neben den Grauhaarigen. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. Es war eine vertrauliche Geste, und erst jetzt sah Veronika die Ähnlichkeit in ihren Gesichtern. Die gleichen ebenmäßigen Züge, der gleiche Stolz.
    »Ihr seid Solanas Vater, der Baro Rom.« Sie neigte ihren Kopf vor dem Grauhaarigen, eine Geste, um ihre Achtung vor dem Anführer der Sippe zu zeigen, doch nicht tief genug, um den Blickkontakt zu unterbrechen.
    Der Mann nickte. »Ich heiße Ilai«, sagte er. »Und du musst Veronika, die Wolfsfrau, sein.« Sie las Neugier in seinem Blick.
    »Drăculea.« Sie wiederholte den Namen und kehrte zum ursprünglichen Thema zurück. »Warum hat er …«
    Veronika brach stockend ab. Noch während sie die Frage stellte, beschlich sie eine Ahnung. Ihre Gedanken überschlugen sich. Drăculea hasste die Roma. Er hatte ihnen das Durchreiserecht für die Walachei entzogen, sobald er auf dem Fürstenthron saß. Mehrere Dutzend von ihnen hatte er des Diebstahls schuldig gesprochen und pfählen lassen, obwohl sie ihre Unschuld beteuerten. Die Roma aus den Höhlen flüsterten seinen Namen nur und drehten sich danach im Kreis, damit seine bösen Geister nicht ihre Spur aufnehmen konnten. Drăculea wusste von Viktor und den Werwölfen. Wahrscheinlich wusste er auch von dem Bündnis zwischen dem Ältesten und den Roma.
    »Viktor«, flüsterte Veronika. »Er will Viktor.«
    Ilai nickte düster. »Drăculea verfolgt unsere Familie seit Jahren. Doch er versteht nichts von den Roma. Für ihn sehen wir alle gleich aus.« Er spuckte auf den Boden. »Manchmal versucht er es mit Bestechung, dann mit Gewalt, doch bisher hat er keinen Roma gefunden, der ihm etwas über Viktor sagen konnte oder wollte.«
    »Aber die Söldner haben Cilo mitgenommen.« Solanas Stimme vibrierte vor Entsetzen. Die Roma, die Ungarisch verstanden, stöhnten und schlugen die Hände vors Gesicht. »Sie werden ihn foltern, bis er ihnen verrät, wo sie Viktor finden können.«
    »Wenn Viktor nicht gewesen wäre, hätten sie uns jetzt alle in ihrer Gewalt.« Die Stimme der Phuri Dai zitterte. Alle drehten sich zu ihr um. »Bringt mich zu ihm, damit ich seine Wunden behandeln kann.«
    Veronika nickte. »Ich begleite dich.« Sie fasste die alte Frau am Arm. Mager fühlte sich die Phuri Dai an, mit Knochen, zerbrechlich wie morsche Zweige.
    So abweisend Viktor in seiner Wolfsform auch gewesen war, sie mussten es wenigstens versuchen. Die Phuri Dai sollte eine besondere Beziehung zu ihm haben, das hatte

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