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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Solana einst erwähnt. Vielleicht ließ er sie nah genug an sich heran, dass sie die Wunden untersuchen konnte.
    Solana zündete eine Fackel in der Glut der Feuerstelle an und gab sie ihr. Ihre Fingerspitzen berührten sich, und wieder spürte Veronika, dass sich ihre Freundin verändert hatte. War es ihr Geruch, ihr Herzschlag? Sie schüttelte den Kopf.
Nicht jetzt.
    Sie spürte die stummen Blicke der Roma in ihrem Rücken, als sie und die alte Frau die Höhle betraten. Veronika führte die Blinde behutsam, auch wenn sie lieber viel schneller gegangen wäre. Dunkle Flecken sprenkelten den Felsboden wie eine Warnung. Viktors Blut.
    Keiner von ihnen sprach, bis sie die Kammer erreicht hatten. Viktor lag auf seinem Lager, und zu Veronikas Erleichterung war er menschlich. Bleich war er, und so mager, dass seine Rippen aus seinem nackten Oberkörper herausstachen. Nur das unregelmäßige Heben und Senken seiner Brust verriet, dass er noch lebte.
    Sie führte die Alte an sein Lager. Mit einem Ächzen ließ sich die Phuri Dai auf ihre Knie nieder, und ehe Veronika sie zur Vorsicht mahnen konnte, legte sie Viktor die Hand auf die Brust. Veronika hielt den Atem an. War Viktor in diesem Zustand Mensch genug, um seinen Wolf zu kontrollieren? Gábor hatte sie einst gewarnt, dass verletzte Werwölfe in ihrem Schmerz aggressiv sein konnten.
    Viktor hob die Oberlippe und knurrte leise, doch darüber hinaus regte er sich nicht. Die Blinde tastete behutsam über seinen Körper, schob die Decke beiseite, die er über seine Schenkel gebreitet hatte. Veronika entfuhr ein Schrei, als sie die beiden Wunden sah. Aus seiner Hüfte stakte der blutverkrustete Pfeilschaft. Die Spitze war tief in seinen Bauchraum gedrungen. Der Riss an seinem Bein klaffte rot und nass wie ein aufgerissenes Maul, doch der Pfeil war schlimmer, das war Veronika sofort klar.
    Gott im Himmel.
Wunden heilten bei einem Werwolf schneller als bei jedem Menschen, doch Viktor sah schwach aus, viel zu schwach.
    Die Phuri Dai schien ihre Gedanken zu erraten. »Er ist seit dem Überfall gestern Morgen auf den Beinen«, sagte sie leise. »Ohne Rücksicht auf seine Verletzungen.« Ihre Hände tasteten über den Pfeilschaft und erstarrten. »Hol mir heißes Wasser und Tücher«, befahl sie. »Außerdem meine Heilsalben. Solana soll dir helfen.«
    Veronika warf einen letzten Blick auf Viktor. Unter den Händen der Alten schienen sich seine faltigen Gesichtszüge ein wenig geglättet zu haben. Sein Atem ging ruhiger. Er würde ihr nichts tun. Sie eilte nach draußen, um nach kurzer Zeit mit Solana und den gewünschten Utensilien zurückzukehren.
    Solanas ehrfürchtige Miene ließ Veronika vermuten, dass die Romafrau noch nie zuvor die Wunder von Viktors Felsenkammer erblickt hatte. Ihre Züge wurden jedoch blass, als sie Viktors Verletzungen sah. Ohne ihrer Umgebung noch einen Blick zu schenken, trat sie an die Seite ihrer Großmutter. »Was kann ich tun?«, fragte sie.
    »Wir säubern seinen Körper und die Wunden von dem Schmutz«, wies die Alte sie an. Viktor stöhnte leise, als Solana ihn berührte, doch er regte sich nicht. Hand in Hand arbeiteten die beiden Romafrauen, und Veronika kam sich überflüssig vor, bis die Phuri Dai ihren Namen rief.
    »Du musst ihn festhalten«, sagte sie. »Bette seinen Kopf auf deinen Schoß und halte seine Arme. Du bist die Einzige, die genügend Kraft hat.«
    Eilig folgte Veronika den Anweisungen. Es war seltsam, Viktor zu halten, als wäre er ein Kind, denn unter all seinen Verletzungen und dem Fieber spürte sie, wie immer noch die uralte Wolfskraft in ihm pulsierte. Allerdings war sie viel schwächer, als sie bei einem Ältesten sein sollte. Ihre Wölfin winselte vor Angst.
    »Jetzt!«, stieß die Phuri Dai hervor, und Veronikas Hände schlossen sich mit aller Kraft um Viktors dünne Arme. Keinen Augenblick zu früh. Solana zog die Wundränder auseinander, und die Alte packte den Pfeilschaft.
    Viktor bäumte sich auf. Stark, viel zu stark war er für Veronika … doch nach einem Herzschlag sank er wieder in sich zusammen. Triumphierend hielt die Phuri Dai den Pfeil in der Hand. Aus der Wunde drang frisches Blut. Solana tränkte ein Tuch mit heißem Wasser und presste es auf die Wunde. Rasch färbte sich das Tuch rot. Immer noch hielt Veronika Viktor auf ihrem Schoß. Sie wischte mit ihrem Ärmel den Schweiß von seiner Stirn. Er murmelte unverständliche Worte, und der Puls an seinem Hals pochte so schnell wie das Herz eines

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