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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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ihm verhüllen zu können. Der Stoff roch nach ihm, und seinen Duft auf ihrer Haut zu wissen, weckte ihren Widerwillen. Es war, als gehörte sie damit ihm, wie die Kleider, die sie trug, wie der narbige Kerl und der Strohsack, auf dem sie schlafen musste. Das wollte sie nicht. Doch sie wusste keinen Ausweg. Sie war kein Mensch mehr. Zitternd schlang sie die Arme um sich. Bis sie herausfand, was genau sie nun war, war sie diesem Fremden ganz und gar ausgeliefert.

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    3 . Kapitel
    Kamenica, August 1455
    G ábor weckte sie mittags und drängte zur Eile. Er warf ihr eine weite Pluderhose zu, die sie unter ihren Rock ziehen sollte, um ihre Beine beim Reiten bedeckt zu halten. Sie beäugte das Kleidungsstück irritiert, das in ihrer Vorstellung eher den Sitten einer Zigeunerin oder gar Türkin entsprach. Auf ihre Frage, wohin sie reiten würden, warf ihr Gábor einen kalten Blick zu. »Belgrad«, sagte er dann.
    Belgrad? Sie zuckte zusammen. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass sie sich in Serbien befanden.
    »Aber …«, sie stotterte. »Die Türken haben die serbische Stadt Novo Brdo erobert. Ist es nicht gefährlich, in ihre Nähe zu reiten?«
    »Belgrad ist zwölf Tagesritte von Novo Brdo entfernt«, erwiderte er schroff. »Und falls wir doch marodierenden Trupps begegnen, werden wir uns zu verteidigen wissen. Kommt jetzt!«
    Eingeschüchtert schlüpfte sie in die Hose und folgte ihm. Was hatte er nur mit ihr vor? Sie dachte an letzte Nacht. Ihre Erinnerungen an die Stunden als Wölfin waren verschwommen, als hätte sie zu viel Wein getrunken. Doch sie wusste noch, wie glücklich sie gewesen war, berauscht von einem Freiheitsdrang, der auch jetzt noch ihr Herz schneller schlagen ließ. Sie schluckte. Was sie getan hatte, war sündhaft und falsch. Ihre neue Natur war des Teufels, anders konnte es nicht sein. Gerade die Fallen des Bösen waren voller süßer Verlockungen, das durfte sie nicht vergessen.
    Im Hof warteten mehr als ein halbes Dutzend Pferde, die unruhig mit den Hufen scharrten. Ehe Veronika wusste, wie ihr geschah, hatte Miklos sie in einen der Sättel gehoben. Sie war froh, dass sie den Männersitz gewohnt war. In der Steiermark waren die meisten Pfade zu schmal gewesen für Pferdewagen, und die Abhänge zu steil, um auf Damensätteln Halt zu finden. So hatten die hochgeborenen Damen manchmal wohl oder übel wie Männer reiten müssen, mit sittsam geschlitzten Röcken, die die Flanken der Pferde und die Beine der Reiterinnen bedeckt hatten. Sie zog scharf die Luft ein. Ob sie ihre Heimat je wieder sehen würde? Sie wusste es nicht.
    Als sie zum Tor der Abtei hinausritten, waren sie zu sechst; drei Männer, die Veronika nicht kannte, vervollständigten ihren Trupp. Verstohlen musterte sie die Fremden, die vor und hinter ihr ritten. Sie schienen verdiente Kriegsknechte zu sein. Hatte Gábor sie zu ihrem Schutz angeheuert? Alle drei trugen lederne Beinlinge und Ringpanzerhemden aus feinem Draht. Schwerter und Armbrüste waren hinter ihnen an die Sättel geschnallt. Trotz ihrer breiten Schultern und grimmigen Gesichter waren sie jedoch keine Werwölfe. Ihrem menschlichen Geruch fehlte die dunkle Note, die Gábor und Miklos begleitete.
    Sie hob ruckartig den Kopf. Woher wusste sie das? Sie hatte gar nicht darüber nachgedacht, ob die drei Männer Werwölfe waren oder nicht, sondern es einfach gewusst. Waren ihre neuen Sinne schon so sehr ein Teil von ihr geworden? Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie konnte den Schweiß der Pferde riechen, den Duft des Hafers, der am Wegrand blühte. Ja, sie vermeinte jeden Lehmklumpen zu hören, der unter den Hufen zermahlen wurde, darüber das Pulsieren des Bluts in den Adern ihres Pferdes, dessen Muskeln sich warm und hart an ihre Beine schmiegten. Was sie als Mensch nie wahrgenommen hatte, öffnete sich nun, da sie darauf achtete, wie der Kelch einer kostbaren Blüte. Und dann spürte sie es. Die Wölfin, die sie letzte Nacht gewesen war, war immer noch da. Sie lauerte am Rand ihres Bewusstseins. Müde und gesättigt schien sie, doch Veronika traute ihr nicht. Unwillkürlich presste sie die Knie fester in die Flanken ihres Pferdes. Das Tier beschleunigte seinen Schritt. Mit einem wachsamen Blick drehte sich Gábor zu ihr um. Doch sie dachte nicht an Flucht. Es wäre töricht und aussichtslos, den Männern jetzt entkommen zu wollen. Sie musste einen besseren Zeitpunkt abwarten. Außerdem musste sie vorher erfahren, was sie nun war.
    Niemand redete mit ihr,

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