Mondherz
während die Pferde einen raschen Trab einschlugen und die Mittagssonne unbarmherzig auf sie herunterbrannte. Das Leintuch, das sie sich um den Kopf geschlungen hatte, machte die Hitze kaum erträglicher. Nach einer Weile reichte ihr Miklos ein Stück Brot und einen kleinen Käselaib, den sie hungrig verschlang.
Der narbige Blonde hielt sein Pferd stets dicht hinter ihr. Sie spürte seine aufmerksamen Blicke wie Nadeln im Rücken. Wenn sie sich zu ihm umdrehte, vermied er es allerdings, sie anzuschauen. Angewidert musterte sie seine Hässlichkeit. Seine Narben jagten ihr jedoch weniger Angst ein als Gábors makellose Kälte. Miklos schien nur wenig älter zu sein als sie. Seine blauen Augen blickten klar, und die wenigen Stellen seiner Haut, die nicht verunstaltet waren, waren faltenlos. Gábor hatte gesagt, Miklos wäre sein Schüler, erinnerte sie sich, doch darunter konnte sie sich nicht viel vorstellen.
Angespannt ließ sie den Blick schweifen. Der Weg führte sie über Wiesen und brachliegende Äcker, die von Unkraut überwuchert waren. Seit Jahren schien hier kein Bauer mehr ausgesät zu haben. Hatte die Schwarze Seuche in diesen Landstrichen gewütet, oder waren es die Türken gewesen? Furchtsam umklammerte sie die Zügel ihres Pferdes fester. Ihre Tante Katarina Cilli hatte vom Hofe ihres Vaters, dem serbischen Fürsten Brankovic, oft Briefe mit abscheulichen Geschichten über die osmanischen Teufel erhalten. Manchmal hatte sie Elisabeth und Veronika daraus vorgelesen, und Elisabeth hatte in den Nächten danach oft vor Furcht nicht schlafen können. Die Türken plünderten Kirchen, vergifteten Flüsse und zermalmten ganze Städte unter Kanonendonner. Aus Angst davor, getötet oder in die Sklaverei verschleppt zu werden, flohen die Menschen aus den umkämpften Gebieten. Auch Brankovic hatte letztes Jahr sein Land verlassen und war nach Wien ausgewichen. Er weilte immer noch dort und suchte nach Unterstützung, um die Türken wieder aus Serbien zu vertreiben. Und jetzt waren sie tiefer denn je in sein Land eingedrungen.
Belgrad, das Brankovic vor einigen Jahren an Ungarn abgetreten hatte, war das südlichste Bollwerk gegen die Türken.
Beograd,
die weiße Burg, so wurde die Stadt aufgrund ihrer hellen Mauern genannt. Türme so groß wie Kathedralen und einen Schutzwall so breit wie fünf Häuser sollte die Festungsstadt haben, die uneinnehmbar über der Donau thronte. Das Kommando über Belgrad hatte der Feldherr Johann Hunyadi inne, der offensichtlich der Dienstherr der Werwölfe war.
Veronikas Widerwillen wuchs bei diesen Gedanken. Sie wollte nicht dorthin, und noch weniger wollte sie an der Seite dieser fremden Männer reiten, die sie vielleicht direkt in die Hände der osmanischen Barbaren führten.
Der Einzige, der ihnen entgegenkam, war jedoch ein Kesselflicker. Mürrisch prügelte er auf seinen Esel ein, als dieser den Karren nicht rasch genug zur Seite zog. Veronika spürte den neugierigen Blick des Mannes auf sich ruhen. Bestimmt hielt er sie für die Ehefrau oder Tochter von einem der Ritter. Sie senkte den Kopf. Er konnte nicht ahnen, wie sehr er sich irrte.
Als sie den breiten Strom der Donau erreichten, zügelten sie ihre Pferde und blickten auf den träge fließenden Fluss hinab. Dankbar nahm Veronika einen Schluck aus dem Lederschlauch, den Miklos ihr reichte. Das Wasser war warm und brackig, schmeckte jedoch wunderbar.
Gábor war ein Stück weiter zum Stehen gekommen. Von den fünf Männern war er der schmalste und er trug weder Waffen noch Kettenhemd, doch die anderen behandelten ihn mit der Ehrerbietung, die nur einem Anführer zustand. Jeder musste spüren, dass er der Gefährlichste von ihnen war. Oder hatte sie dieses Wissen auch nur ihrer neuen Natur zu verdanken?
Unzählige Fragen brannten ihr auf der Zunge. Sie hatte bereits den Mund geöffnet, um die erste zu stellen, als Gábor sich ihr zuwandte. Es war unheimlich, wie fein sein Gespür war.
»Wir werden reden«, sagte er, »sobald wir eine Rast für die Pferde einlegen.«
Der Weg führte sie am Flusslauf entlang nach Süden. Am späten Nachmittag ordnete Gábor endlich eine Pause an. Mit schmerzenden Beinen stieg Veronika vom Pferd. Sie war solch lange Ritte nicht gewohnt. Doch sie biss die Zähne zusammen, um sich den Schmerz vor den Männern nicht anmerken zu lassen. Sie ging ein paar Schritte zu einer Gruppe von Eichen und ließ sich in deren wohltuenden Schatten nieder.
Während Miklos und die Söldner die Packpferde
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