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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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nicht schwergefallen, auch seine Nichte zu opfern. Und jetzt war sie ein gottloses Wesen, für das in seiner Familie kein Platz mehr war.
Elisabeth.
Ihre liebe Cousine hielt sie für tot. Veronika schluchzte. Wenn sie doch niemals auf Anka gehört hätte! Doch sie hatte sich davongeschlichen, sie hatte ihre Cousine allein im Schlaf zurückgelassen. Und wie sehr Elisabeth jetzt auch trauerte, die Wahrheit wäre noch schlimmer für sie. Nein, nie mehr würde Veronika ihre Cousine in ihre Arme nehmen, nie mehr ihre Heimat sehen können. Der Schmerz überwältigte sie. Sie nahm den Kopf zwischen die Hände und weinte bitterlich.
    Irgendwann waren ihre Augen zu erschöpft, um noch mehr Tränen vergießen zu können. Sie blickte auf. Gábor saß immer noch neben ihr. Die anderen Männer hatten sich in rücksichtsvollem Abstand niedergelassen und tranken Wein aus einem Lederschlauch. Die Eichen rauschten leise im Wind. Ein Spatzenschwarm flog über die Donau. Wie Schatten huschten die Spiegelbilder der Vögel über das Wasser. Die Welt hatte sich nicht verändert, und doch war sie für Veronika fremd geworden. Ihr Herz lag schwer und betäubt am Boden eines Abgrunds, der jede Zuversicht verschlungen und nichts übrig gelassen hatte. Doch obwohl sie nichts mehr spürte und ihr Herz kein Ziel mehr hatte, konnte sie so nicht verharren. Langsam klärte sich ihr Geist wieder, erklomm die schwarzen Wände der Verzweiflung, bis sie wieder bei sich war. Es war keine Neugier, sondern ein diffuses Pflichtgefühl sich selbst gegenüber, das sie neue Gedanken formulieren ließ. Einige Fragen musste sie stellen, ob sie die Antworten hören wollte oder nicht.
    »Woher weiß mein Onkel von den Werwölfen?«, wagte sie einen zaghaften Vorstoß.
    Gábor nickte, als ob er genau diese Frage erwartet hatte. »Graf Cilli hatte einen Spion am Hof der Hunyadis, der uns verfolgte und bei der Verwandlung beobachtete. Er hat Johann Hunyadi damit erpresst, um viele Unzen Silber und seinen Sohn. Erst als er den jungen Mathias Hunyadi als seine Geisel am Königshof wusste, schwor er, Stillschweigen über die Werwölfe zu bewahren.«
    »Und meine Cousine Elisabeth? War sie auch ein Tauschpfand?«
    Veronika stockte, als ihr einfiel, dass eine Tochter kaum den gleichen Wert wie ein Sohn besaß. Cilli hatte sie wahrscheinlich ohne großes Bedauern hergegeben. Sie biss sich auf die Lippen. »Und was sagte er zu meinem Tod?«
    »Er war nicht erfreut.« Gábor zuckte die Schultern. »Doch Graf Hunyadi und er sind neben dem König die mächtigsten Männer in Ungarn. Der Waffenstillstand zwischen ihnen ist zu wichtig, um ihn wegen Euch zu brechen. Aber selbst wenn Cilli wüsste, dass Ihr lebt – und glaubt mir, es ist besser, dass er es nicht weiß –, selbst wenn er Euch wieder aufnehmen würde, könntet Ihr nicht zurück. Kein Werwolf darf außerhalb des Bundes existieren. Wenn Ihr weiterlebt, dann nur in unseren Reihen.«
    Sie atmete kaum. »Welchen Bund meint Ihr?«
    »Den Bund der Wölfe.« Gábor hielt einen Moment inne und fixierte sie mit seinem Blick, bis er sich ihrer Aufmerksamkeit wieder sicher war. »Nur auserwählte Menschen kennen ihn, und alle Werwölfe gehören ihm an.«
    »Sind die Hunyadis die Anführer dieses Bundes?«
    »Nein. Kein Mensch kann dem Wolfsbund beitreten.« Er runzelte die Stirn.
    Überlegte er, wie viel er ihr erzählen sollte? Wahrscheinlich traute er ihr nicht, ebenso wenig wie sie ihm trauen konnte. Sie atmete tief durch und bemühte sich, ihre volle Konzentration auf seine folgenden Worte zu richten.
    »Die Geschichte des Bundes reicht viele Hundert Jahre zurück«, sagte er. »Sein Ziel ist jedoch stets dasselbe geblieben: die Kräfte des Wolfs zu nutzen, um den Menschen zu dienen.«
    Sie wollte eine Frage einwerfen, doch er hob abwehrend die Hand. »Die Kraft, die wir durch unser zweigestaltiges Blut haben, bringt Verantwortung mit sich. So sehen wir es als unsere gottgegebene Aufgabe an, die Christen des Abendlands vor den Osmanen zu schützen. Dabei müssen wir stets der Versuchung widerstehen, unsere Kräfte für unsere eigenen Ziele zu missbrauchen. Deshalb lenken wir die Schicksale der Menschen nicht selbst. Wir tragen bestimmten Menschen unsere Dienste an. Männern von Bedeutung, mit überragenden Fähigkeiten und einer reinen Gesinnung. So ein Mann ist Johann Hunyadi.«
    Hunyadi.
Sie runzelte die Stirn. Das klang so gar nicht nach dem, was sie bisher über ihn gehört hatte.
    »Schon als er jung war und noch

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