Mondherz
gerade deshalb brauchen wir dich doch.« Dachte sie etwa, er täte dies alles, weil es ihm Freude machte? »Der Bund zerbricht, weil die Welt dort draußen zugrunde geht«, rief er. »Egal ob wir Drăculea stürzen, die Türken werden kommen.« Er fühlte diese schreckliche Wahrheit mit jeder Faser seines Herzens. »Sie werden uns überrennen, morgen oder in zwanzig Jahren, und kein Christ wird daran etwas ändern können. Nur du hast es in der Hand. Du und dein ungeborenes Kind.«
»Und der neue König, Mathias Corvinus.« Sie verzog verächtlich den Mund. »Hast du dir vorgestellt, wie ich mich in seinem Bett räkele, während du ihm zum Thron verholfen hast? Weiß er bereits von mir? Wird ihm ganz heiß bei dem Gedanken, sich zu einer Werwölfin zu legen?« Sie spuckte ihm die Worte vor die Füße. »Niemals wird es so weit kommen!«
Gábor erhob sich so abrupt, dass sein Stuhl umkippte. Er liebte und hasste sie zugleich. Sein Wolf kämpfte gegen die Fesseln, die er ihm angelegt hatte. Er musste sofort gehen, sonst würde er sie schlagen oder küssen – und er wusste nicht, was davon ihm lieber war.
Auf dem Heimweg waren Miklos und Gábor schweigsam. Gábor war so in düstere Gedanken versunken, dass er die Unruhe seines Schülers erst kurz vor den Toren der Burg bemerkte. Er versuchte, Miklos’ Blick aufzufangen, doch der huschte wie ein Kaninchen stets an ihm vorbei.
»Willst du mir sagen, was los ist?«, fragte Gábor schließlich mürrisch. Er hatte es satt, immer in den Gesichtern der anderen lesen zu müssen. Andererseits wusste er, dass seine eigene Verschlossenheit schuld daran war, dass Miklos nicht offener mit ihm sprach.
Miklos zögerte. »Veronika geht es schlecht«, murmelte er schließlich. Sein Gesicht färbte sich rot. »Du behandelst sie nicht gut.«
Gábor blieb stehen. »Sie ist selbst schuld«, sagte er ruhig, obwohl es in ihm tobte. »Eigenwillig, wie ein Esel, das ist sie.« Und genau das liebte er an ihr, das wusste er nur zu genau.
»Nein, das stimmt nicht. Sie trifft keine Schuld«, widersprach Miklos. »Es ist einfach furchtbar, euch beiden zuzuschauen.«
Überrascht fuhr Gábor zu ihm herum.
»Ihr leidet doch beide«, fuhr Miklos fort, ohne Gábor anzuschauen. »Ich spüre es, und ich halte es fast nicht aus. Kann Gott das wirklich gewollt haben?«
Gábor erstarrte. Nicht auch noch Miklos. »Stellst du die Prophezeiung in Frage?«, fragte er langsam.
Miklos hob die Schultern. »Ich weiß nicht«, flüsterte er.
Endlich hob er den Blick und sah ihn an. Etwas in seinen Augen ließ Gábor erzittern. Freundschaft und auch Enttäuschung las er darin, und den aufrichtigen Glauben an etwas, das er nicht teilen konnte.
»Ihr liebt euch«, sagte Miklos. »Ihr seid füreinander bestimmt, das spüre ich.«
»Halt den Mund«, entgegnete Gábor heftiger, als er wollte. »Wie kommst du dazu, so etwas zu behaupten?«
Miklos duckte sich unter seinen Worten.
»Gottes Wille ist manchmal grausam«, presste Gábor nach einem Moment angespannter Stille hervor, obwohl er am liebsten gebrüllt hätte. »Das weißt du doch nur zu gut.« Das zu sagen, war ebenfalls grausam, das wusste er, doch er ignorierte den Schmerz in Miklos’ Augen.
»Die Prophezeiung ist ein Geschenk Gottes, und ich werde sie nicht verraten.« Das konnte er nicht, bei seiner Ehre. Wenn er nicht mehr daran glauben konnte, was gab es dann noch? Er ballte die Fäuste. »Wenn Gott mich mit meinen Gefühlen prüfen will, werde ich diese Prüfung bestehen.«
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28 . Kapitel
Buda, Frühsommer 1458
D ie Wochen vergingen, ohne dass Gábor Veronika wiedersah. Er wusste wohl, dass Miklos sie besuchte und hin und wieder mit ihr jagen ging. Doch sie sprachen seit jenem Abend nicht mehr über sie. Gábor spürte, dass er Miklos mit seinen Worten zwar unterworfen, aber nicht überzeugt hatte. Er versuchte, meistens erfolglos, nicht weiter darüber nachzudenken. Seine Tage waren ohnehin prall gefüllt. Mit Mathias bereitete er dessen erste große Rede vor. Der König würde seine erste Ständeversammlung eröffnen.
Als der Tag da war, zog er in feierlichem Ornat in den großen Saal der Burg ein, gefolgt von seinen Beratern und Sekretären. Gábor sah sich wachsam um, musterte wie ein Leibwächter die zahlreichen Grafen und Barone, die sich aus dem ganzen Land eingefunden hatten.
»Den hier versammelten Bannerherren und Ständen Ungarns entbieten Wir Unseren königlichen Gruß«, begann der König. Die Ersten jubelten ihm
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