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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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entlassen worden, damit sie sich auf den Rückweg in ihre Heimat machen konnten. Diejenigen, die sich nun in Buda aufhielten, heimatlose Söldner zumeist, zogen feiernd durch die Straßen.
    Er kannte den Heermeister noch aus den Zeiten Johann Hunyadis. Er war ein vertrauenswürdiger Mann, der sein Handwerk verstand. Deshalb wollte er sich mit ihm in Ruhe über den Ablauf des Feldzugs unterhalten, denn Michaels euphorischen Schilderungen glaubte er nicht ganz.
    Er folgte einigen Gassen nach Norden, genoss die Bewegung, das Gefühl, wie sich seine Muskeln nach einem langen Tag lockerten. Zu viel saß er herum, und sein Wolf war unruhig. Morgen Nacht war Vollmond, und da würde er schon in der Abenddämmerung hinausreiten in die Wälder, das hatte er sich selbst versprochen. Seine Finger zuckten beim Gedanken an die Jagd.
    Er freute sich auch auf die Einsamkeit der Wälder. Für seinen Geschmack waren heute Abend einfach zu viele Leute auf den Straßen unterwegs. Die trinkfesten Budaer Bürger nahmen die Rückkehr des Regenten als Anlass, um ein Bier mit den Truppen zu heben. Gastwirte und fliegende Händler frohlockten beim Anblick der Münzen, die den Söldnern nach siegreichem Kampf locker in der Tasche saßen. Gábor stieg über zwei besinnungslose Halbwüchsige hinweg, die bereits zu viele Krüge geleert hatten. Ein Stück weiter flohen drei angemalte Weiber fröhlich kreischend vor einem Pulk betrunkener Söldner.
    Er kam an einer Herberge vorbei, wo sich die Dünste von Alkohol, Erbrochenem und Urin zu einer ekelhaften Mischung vereinten. Er atmete nur flach, als der Wind plötzlich einen neuen Geruch zu ihm herüberwehte. Es war der schwache Duft eines Wolfs. Unauffällig sog Gábor Luft durch die Nase ein. Der Mann war zu weit entfernt, um ihn zu identifizieren.
    Langsam ging Gábor weiter. Das Gedränge wurde dichter. Und da war er wieder, der Geruch, wie eine schwache Fährte. Jetzt hatte er Gewissheit. Er wurde von einem Werwolf verfolgt, dem er noch nie zuvor begegnet war. Es hatte nicht viel Zweck, sich umzuschauen, denn der Mann wäre sicher wachsam und würde sofort fliehen, wenn er Gábors Verdacht erkannte. Langsam schob sich Gábor zwischen den Menschen hindurch. Er wich einem Ochsengespann aus und sprang zur Seite, um nicht vom Dreck getroffen zu werden, den die Räder aufwühlten.
    Dort vorn konnte er schon das Nordtor sehen, durch das die letzten Wagen des Tages gewinkt wurden, ehe die Nachtglocke ertönte und die Tore geschlossen würden. Da war auch der Heermeister, der mit seinen Schreibern inmitten einer Gruppe von augenscheinlich nüchternen Soldaten stand. Gábor zögerte. Er konnte den fremden Werwolf nicht länger ignorieren, er musste wissen, warum er sich an seine Fersen geheftet hatte. Das Gespräch mit dem Heermeister musste warten. Er behielt einen neutralen Gesichtsausdruck bei und bog in eine der Seitengassen ab. Er würde seinen Verfolger aus dem Schutz der Menschenmenge führen, in eine einsamere Gegend, wo er ihn festnageln konnte. Erneut sog er die Luft ein, dann lächelte er geringschätzig. Der Werwolf, der ihm folgte, war nicht annähernd so dominant wie er selbst. Nach einem flüchtigen Blick über die Schulter verließ er die Gasse und betrat das Labyrinth der Hinterhöfe. Hier gab es keine Fackeln und Talglichter, nur das Licht des fast vollen Mondes prickelte auf seiner Haut.
    Schweine lagen dösend neben Misthaufen, Brennholz stapelte sich zwischen alten Karren, Hühner gackerten leise. In einem Schatten kicherte ein Liebespaar, ohne ihn zu bemerken. Er umrundete Latrinengruben, schlich durch die schmalen Pforten, die die Höfe miteinander verbanden, vorbei an Brunnen, verkrüppelten Apfelbäumen und Schutt. In einigen Höfen wucherten Anbauten aus morschem Holz und gemörteltem Ziegel an den Hauswänden empor. Er hörte die Bewohner dieser kümmerlichen, fensterlosen Hütten schnarchen. Aus anderen Häusern drang Kerzenschein. Fensterläden wurden trotz der milden Luft zugeschlagen, denn das Licht des Vollmonds galt als Hort von Geistern und Dämonen, die Kinder aus ihren Betten stahlen und Eheleute zu Unzüchtigkeiten trieben.
    Gábor stahl sich weiter und lauschte dabei auf die Schritte seines Verfolgers. Er grinste. Der Mann war ungeschickter, als er gedacht hatte. Obwohl mehr als ein Hof Abstand zwischen ihnen lag, waren seine Schritte deutlich zu hören.
    Jäh blieb er stehen. Sein Wolf richtete sich wachsam auf. Etwas hatte sein Misstrauen geweckt. War es ein

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