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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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leise, als er sich wieder von ihr zurückzog. Langsam öffnete sie die Augen.
    »Euer Liebden«, flüsterte Milutin rauh. »Verzeiht, meine Gefühle haben mich überwältigt.«
    Sie war so verlegen, dass sie kichern musste. Das Geräusch hörte sich für ihre Ohren fremd an, hilflos und allzu menschlich. »Sollte das Eure Überraschung sein, Herr Milutin?«, fragte sie.
    »Nein«, murmelte er. Er blickte plötzlich so befangen drein, dass sie jedes weitere Kichern herunterschluckte. Hinter all seiner Gewandtheit verbarg sich ein unsicherer Mann, dessen Herz genauso verletzbar war wie das ihre. Sachte legte sie ihm eine Hand auf den Arm.
    »Was war es dann?«, fragte sie.
    Er atmete tief durch, dann hob er vorsichtig die letzte Schüssel an, die noch zugedeckt war. »Seht selbst«, sagte er.
    Neugierig griff sie nach dem Deckel. »Das Silber ist ganz kalt.« Sie lachte vor Erstaunen. »Ihr seid ein Zauberer.«
    In der Schüssel lag Eis, zu kleinen Würfeln geschnitten und mit echtem Zuckersirup getränkt. Schmelzwasser rann an den Kanten der Würfel entlang und benetzte ihr Bett aus dunkelroten Walderdbeeren.
    Milutin lächelte endlich wieder. »Kein Zauber, nur die Höhlen und Keller von Buda.«
    »Aber das Pfingstfest war schon vor Wochen. Wie kann das Eis so lange kalt sein?«
    »Der letzte König Ladislaus war ein Feinschmecker«, erwiderte er. »Seit Jahren lässt er einen der tiefsten Kellerräume im Winter mit Schnee und Eis füllen und dann mit einer dicken Lage Stroh abdecken. Die Wände dieses Raums sind über die Zeit so kalt geworden, dass sich das Eis bis zum Sommer hält.«
    Sie wollte fragen, wie es dem jungen Grafen gelungen war, an diese kostbaren Vorräte zu kommen. Er schien sehr vermögend zu sein, denn auch Zimt und Zucker waren fast unerschwinglich. Doch bevor sie etwas sagen konnte, hob er mit einer kleinen Zange einen der Eiswürfel an.
    »Öffnet den Mund«, sagte er leise. Sein Blick senkte sich auf ihre Lippen.
    Ein Schauer rann über ihren Rücken, und sie tat, worum er sie bat. Sie seufzte leise, als das süße Eis ihre Zunge berührte. Gänsehaut überzog ihre Arme. »Das ist wunderbar«, flüsterte sie.
    Er lachte. »Mehr davon?«, fragte er, und sie nickte.
    Gerade öffnete sie erneut den Mund, als ein Rascheln sie ablenkte. Ein Geruch, vertraut und dunkel, streifte ihre Nase. Sie fuhr herum. Aus dem Schatten der Bäume trat Gábor.
    Niemals würde sie seinen Blick vergessen. Für einen ewig scheinenden Moment waren seine Augen schwärzer als je zuvor. Sie sah Überraschung, entgeisterte Wut und eine Traurigkeit, die ihre Wölfin weckte. Sie sehnte sich danach, ihn zu beruhigen und ihm zu sagen, dass es nicht so war, wie es schien. Stattdessen blieb sie sitzen und starrte ihn an. Milutin war es, der ertappt den Kopf senkte.
    »Gábor«, stammelte er. Und Gábors Blick löste sich von Veronika wie ein Enterhaken, der einen Teil ihres Herzens mitriss.
    »Eure Majestät«, sagte er und verbeugte sich. Seine Miene war wie aus Stahl geschmiedet. »Ich bedaure, Euch gestört zu haben. Doch ich machte mir Sorgen, da Ihr nirgends auffindbar wart.«
    Majestät?
    Veronika fuhr herum. Der Ausdruck in Milutins Augen verriet ihr alles. Sie stöhnte auf. Die Welt taumelte, schien unter ihrem Entsetzen zu beben. Erneut war sie verraten worden, verraten und belogen. Und sie hatte ihn auch noch geküsst! Sie sprang auf und stieß einen wütenden Schrei aus. Mit ihrer Schnürsandale trat sie gegen die Schüssel mit Eis. Mit einem Klackern fielen die Würfel heraus und das Schmelzwasser versickerte im Gras. Die Kostbarkeiten, die Geschenke, das alles war ein wahrhaft königlicher Hinterhalt. Wie hatte sie nur so dumm sein können?
    »Veronika.« Der König sprang ebenfalls auf. Er wollte ihren Arm packen, doch sie entzog sich ihm. »Es tut mir leid. Ich wollte Euch doch nur einmal begegnen.« Seine Worte überschlugen sich. »Ich wusste nicht, wie sehr Ihr mich verzaubern würdet.«
    »Haltet Euer Maul!«, rief sie. Sie ballte die Fäuste. Sie wollte auf ihn einprügeln. »Schuft und Verräter! Nur weil Ihr König seid, könnt Ihr Euch nicht alles erlauben.«
    Plötzlich trat Gábor neben sie. Er nahm ihre Hand in die seine, öffnete ihre Faust. Es war das erste Mal seit Ewigkeiten, dass er sie berührte.
    Sie erzitterte. Seine Nähe war wie ein weiterer Dolch in ihrer Brust. Doch sie musste ihn ansehen, musste wissen, ob er etwas mit diesem Verrat zu tun hatte. Sie schaute zu ihm auf. Seine Kiefer

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