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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Grillen vibrierte auf ihrer Haut. All ihre Sinne waren offen, und sie legte eine Hand auf ihre Brust, als könne sie so ihr Herz daran hindern, schneller zu schlagen. Unwillkürlich ging sie langsamer und schloss dabei die Augen. Ihre Wölfin war von einem Ausflug vor zwei Tagen noch gesättigt und zufrieden, und so war sie ganz Mensch, aufgeregt und zerbrechlich.
    Als sie eine weitere Mauer umrundet hatte, sah sie die Pforte, hinter der sich die Obstbäume des Königshofs verbargen. Noch nie war sie hier gewesen, und angespannt musterte sie den Mann, der vor dem Tor stand. Er war ein Kriegsknecht, das sah sie an seinen Waffen und dem Kettenhemd, doch er trug kein sichtbares Wappen eines Dienstherrn. Der Mann sah ihr mit unbewegter Miene entgegen, und erst als sie direkt vor ihm stand, machte er ihr mit einer Verbeugung den Weg frei.
    »Er erwartet Euch bereits«, murmelte er, und damit wusste sie sicher, dass er Milutin diente. Mit einem Lächeln huschte sie an ihm vorbei. In den Gärten umfing sie das Aroma der Kirschblüten. Sie folgte dem gewundenen Pfad zwischen den Bäumen hindurch. Und dort war Milutin.
    Er saß auf einer Decke im Gras, umringt vom sanften Licht zahlreicher Kerzen. Er erhob sich sofort, als er sie sah, und strich sich nervös eine Strähne seines blonden Haars hinters Ohr. Veronika roch seine Nervosität, und plötzlich zögerte sie. Was machte sie hier? Sie wollte ihm doch keine Hoffnungen machen, sie musste ihm sagen, dass dies ihr letzter Abend zusammen war. Oder musste sie es laut aussprechen, damit sie es selbst begriff? Plötzlich fiel es ihr unglaublich schwer, überhaupt Worte zu finden.
    Bevor sie etwas sagen konnte, war er heran und nahm ihre Hand. Sanft streiften seine Lippen ihre Finger. »Ich freue mich so sehr, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid«, sagte er, und seine Augen glänzten im Kerzenschein. »Kommt, setzt Euch. Es ist eine herrliche Sommernacht.«
    Er führte sie zu der Decke und rückte für sie ein Kissen zurecht. Jetzt erst sah sie die Karaffe mit Wein, die edlen Kristallbecher, die silbernen Schüsseln, deren geheimnisvoller Inhalt abgedeckt war. Sie roch Honig, warme Milch und vielerlei Früchte.
    Milutin setzte sich neben sie, und immer noch schaute er sie unverwandt an. Für einen Moment wanderten seine Augen an ihrem Körper herunter. Das hellblaue Kleid, das sie für den Abend gewählt hatte, schien ihm sehr zu gefallen. Sie wandte den Blick ab, damit er nicht sah, dass ihre Wangen sich röteten. Er schien es dennoch zu bemerken, denn sein Lächeln wurde breiter.
    »Seht, was ich Euch mitgebracht habe«, sagte er, und schwungvoll hob er den Deckel von einer der Schüsseln. »Das sind Veilchenblüten in Zimthonig eingelegt, probiert sie.« Er nahm einen Löffel, tauchte ihn in den Honig, dann führte er ihn an ihre Lippen.
    Eine exquisite Süße, würzig und doch mild, überwältigte ihre Sinne, und sie konnte nicht anders, als genussvoll die Augen zu schließen.
    »Und dies«, Milutin hob einen weiteren Deckel, »zermahlene Mandeln mit Rosenwasser, das mag ich besonders gerne.«
    So ließ er Veronika von den einzelnen Speisen kosten, und jedes Mal führte er selbst den Löffel an ihren Mund. Sie probierte alles, was er ihr anbot, doch irgendwann hielt sie seinen Arm fest, bevor er den Löffel erneut in eine der zierlichen Schüsseln führen konnte.
    »Lasst mir ein wenig Zeit«, japste sie und legte sich eine Hand auf den Bauch. »Das ist alles köstlich, doch ich fürchte, mein Magen kommt nicht hinterher.«
    Er lachte. »Dabei habt Ihr meine größte Überraschung noch gar nicht probiert.« Er sah sie so intensiv an, dass ihr nicht nur wegen der vielen Speisen das Atmen schwerfiel.
    Er begehrte sie, in diesem Moment vielleicht mehr als je zuvor, das spürte sie. Er war nicht nur freundlich, sondern auch gutaussehend, mit seinem blonden Haar und den klaren Gesichtszügen. Der baldige Abschied von ihm schien auf einmal ganz weit weg zu sein. Ungewohnte Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Vielleicht sollte sie seinem Werben einfach nachgeben? Er war ein wohlhabender Graf, und er würde ihr das Leben bieten können, für das sie einst bestimmt gewesen war. Keine Prophezeiung, kein Rudel, nur er und sie.
    Warm strich sein Atem über ihre Wange, als er sich zu ihr herüberbeugte. Sie schloss die Augen.
    Schmetterlinge schienen in ihrer Brust zu tanzen, als ihre Lippen sich berührten. Angenehm war sein Kuss, warm und leicht wie die Sommerluft. Sie seufzte

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