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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Adligen aus Corbu. Er kam spätabends, zu einer Zeit, als die Bauern auf dem Land, aber auch viele Städter, die sich keine Kerzen leisten konnten, schon ins Bett gingen. Michael war nicht zu Hause, und so war sie im ersten Moment über die Ungebührlichkeit des Besuchs irritiert. Doch sie bat Milutin herein und schickte einen müden Knecht nach Wein.
    Bald freute sie sich allerdings über Milutins Gesellschaft. Er war geistreich, und er behandelte sie ehrerbietig, manchmal fast wie eine Königin. Sie plauderten tatsächlich bis tief in die Nacht, und als er ein Gähnen nicht mehr unterdrücken konnte, verabschiedete er sich. Er rang ihr jedoch das Zugeständnis ab, sie wieder besuchen zu dürfen.
    Bereits zwei Abende später kam er erneut vorbei, und er brachte ihr ein Geschenk, das ihren Atem stocken ließ. Es waren Schachfiguren aus Elfenbein, so kunstvoll geschnitzt, dass sogar die Gesichter der Figuren individuelle Züge aufwiesen. Sorgfältig legte sie die Figuren zurück in die Kassette aus Ebenholz, die auch das Spielbrett enthielt. Ihre Wangen glühten, als sie flüsterte: »Das kann ich nicht annehmen, Herr Milutin.«
    »Oh doch, das könnt Ihr«, rief er, und sie sah, dass auch seine Wangen erröteten. »Mir bedeutet dieser Tand nur etwas, weil ich Euch damit eine Freude machen kann. Spielt Ihr Schach?«
    Veronika nickte. Miklos hatte ihr das Spiel in Belgrad beigebracht. Wie viel Spaß sie in den Stunden gehabt hatten, die sie über dem Spielbrett knobelten! Selbst ihre Wölfe hatten Gefallen an der Jagd auf die Figuren des Gegners gefunden.
    »Dann spielt eine Runde gegen mich«, rief Milutin erfreut. »Danach könnt Ihr mein Geschenk immer noch ablehnen.«
    Sie lachte. »Gut. Aber seid darauf gefasst, dass ich mich nicht gern geschlagen gebe.«
    So begannen sie zu spielen, und Veronika vergaß darüber alles andere. Sie waren ebenbürtige Gegner, stellte sie rasch fest. Milutin mochte galant und unbeschwert sein, doch beim Schach überließ er keinen Zug dem Zufall. Vor allem nahm er sie ernst, und dafür begann sie ihn zu mögen. Als sie am Ende seinen König schlug, fasste er sich ans Herz und imitierte seinen eigenen Tod so schauerlich, dass sie Tränen lachen musste. Am Ende des Abends behielt sie sein Geschenk und freute sich darauf, ihn bald wieder zu sehen.
     
    Gábor kam gerade von einem Ausflug aus den Wäldern zurück. Der Morgen dämmerte silbern über der Stadt, die nur langsam aus ihrem Schlaf erwachte. Am Burgtor schwang er sich von seinem Pferd, als ihn die Wachen aufhielten.
    »Ein Bote kam für Euch«, sagte der wachhabende Ritter und winkte einen Mann zu sich, der im dämmrigen Schatten der Mauer gesessen hatte und nun aufsprang. »Jedenfalls gibt er sich als solcher aus.«
    Gábor verstand seinen geringschätzigen Blick, als er den Mann erkannte. Es war Paulo, der Roma. Er überreichte Gábor wortlos einen Brief. Gábor erkannte sofort die Handschrift von Miklos. Am liebsten hätte er den Brief sofort aufgerissen, doch er beherrschte sich. Stirnrunzelnd musterte er den Roma. Seine Kleidung war zerrissener denn je und er sah müde aus. Miklos hatte ihm vor seinem Aufbruch noch erzählt, dass Paulo seit Michaels Feldzug als vermisst galt. Wo kam er jetzt her? Und wie im Himmel war er an eine Nachricht von Miklos gelangt?
    »Folgt mir«, forderte er ihn auf und betrat die Burg, ohne sich noch einmal nach den Wachen umzudrehen.
    In seiner Kammer schickte er eine Magd nach einem reichhaltigen Frühstück, denn er hatte Paulos hungrigen Blick gesehen. Er selbst aß und trank nichts mehr, was ihm die königlichen Küchen brachten. Bis er den Giftanschlag aufgeklärt hatte, musste er vorsichtig sein. Bisher hatte er allerdings nichts herausgefunden. Auch geschlafen hatte er seitdem nicht mehr allzu viel, doch im Moment fühlte er sich wacher als seit Tagen.
    Während Paulo sich übers Essen hermachte, las Gábor Miklos’ Brief. Als er die letzte Zeile überflogen hatte, las er ihn ungläubig erneut. Konnte Gott wirklich solche Spielchen mit ihnen treiben? Wieder und wieder glitten seine Augen über die wölfische Geheimschrift.
    Wir waren bereits zwei Tagesreisen vor Isaccea,
schrieb Miklos,
als unser Kurier von einer Hundertschaft Janitscharen berichtete. Da sie uns zahlen- und kräftemäßig nicht gewachsen waren, lauerten wir ihnen auf Pavels Befehl hin auf und überwältigten sie. Sie führten mehrere Gefangene mit sich, die wir befreiten. Unter ihnen waren zwei Roma, von denen ich

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