Mondherz
versteifte sich.
»Setzt euch ans Feuer«, lud Senando sie mit einer Handbewegung ein. »Paulo kann noch einmal alles erzählen.«
Veronika sah sich um. Es waren nur Männer anwesend, deren misstrauische Blicke jeder Bewegung Gábors folgten. Die meisten kannten ihn nicht, fiel ihr ein. Obwohl Gábor mit ihnen die schwarzen Augen und die dunkle Haut teilte, mochten seine katzenhaften Bewegungen bedrohlich wirken.
Allein Senando wandte sich ihm zu, und sie machten sich miteinander bekannt, zwei ungleiche Männer, die sich jedoch interessiert die Hand zum Brudergruß reichten.
Paulo nutzte die Zeit, um wie ein Verdurstender einen Tonkrug voller Wein zu leeren. Er war erschreckend mager geworden, sah sie, und sein Gewand war an vielen Stellen zerrissen.
Endlich begann er mit seiner Erzählung. Er berichtete von dem Feldzug gegen Drăculea, der aus seinem Mund weit weniger aufregend als in Michaels Erzählungen klang. »Feldherr Szilagyi will nicht, dass Roma kämpfen«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Wir Wache für die Pferde. Männer lachen über uns, schimpfen Zigeuner. Bei Belagerung plötzlich Ausfall aus Drăculeas Burg. Viele Männer entkommen. Viele Türken. Sie holen Pferde. Marko und ich verstecken im Graben, da zu viele Gegner. Doch sie entdecken uns. Sie wollen uns töten, als Hauptmann uns erkennt.« Er zog ein grimmiges Gesicht. »Ich kenne ihn auch. Veronika, du weißt noch Türken, die Viktor töten? Dieselben Männer.«
Veronika schnappte nach Luft. »Diese Bastarde«, rief sie. »Sie stehen also immer noch in Drăculeas Diensten.« Zornig ballte sie die Fäuste, als sie an den Hinterhalt, an Viktors Tod dachte, an ihre Verwandlung. Sie stöhnte auf. »Sie wissen von den Werwölfen«, rief sie. »Haben sie dich deshalb gefangen genommen?«
Paulo nickte. Veronika keuchte erneut, als er den Namen Arpad nannte. Der Janitschar aus Gábors Vergangenheit. Sie sah zu ihm hinüber, sah die Muskelstränge, die an seinem Hals vor Anspannung hervortraten.
Veronika konnte ihre Ungeduld kaum zügeln, denn die Geschichte entfaltete sich nur langsam. Paulo sprach in einem schleppenden Singsang, und manche Worte fehlten ihm. Je mehr er erzählte, desto aufgeregter wurde sie, bis sie es irgendwann nicht mehr aushielt. »Weiß Arpad auch, dass Gábor ein Werwolf ist?«, fragte sie rundheraus.
Paulo nickte. »Er sagt, Drăculeas Spione kennen alle Werwölfe von Viktor. Doch vielleicht er lügt. Nur den Namen Gábor er nennt. Er merkt, dass Folter bei Marko und mir nicht gut. Wir nur Falsches sagen.« Er blickte so düster, dass Veronikas Herz eng wurde. »Er versucht, uns zu überreden, mit Geld, mit Versprechen. Er sagt, er selbst will Werwolf sein.«
»Er … was?« Veronika riss die Augen auf. Und wieder sah sie zu Gábor, nur um zu erkennen, dass er dies alles schon wusste. »Das alles hat Miklos in seinem Brief an dich geschrieben?«, fragte sie leise.
Gábor sah sie an. Zuerst schien er nicht reagieren zu wollen, dann nickte er fast unmerklich.
»Nicht alles«, widersprach da Paulo. »Er nicht alles schreibt, weil Angst, dass Pavel liest. Pavel nicht weiß von Arpads Namen und Arpads Wissen. Er denkt, dass normaler Gefangener. Doch Arpad sagt noch anderes zu uns während Folter. Er fragt, ob wir auch Gábor dienen. Ob wir wissen, wo Gábor herkommt. Er sagt, dass Gábor in Gefahr. Wenn wir mit ihm reden, wir können Gábor retten.«
»In Gefahr?« Sie flüsterte. »Wie meint er das?«
»Männer wollen Gábor umbringen.« Paulos Stimme drang wie durch einen Schleier zu ihr.
Veronika wurde stocksteif. Ein Mordkomplott gegen Gábor. Der Überfall heute Nacht in den Gärten.
Sie schlug ihre Hände zusammen und unterbrach damit Paulos Erzählung. »Das kann kein Zufall sein!«
Überrascht starrten die Roma sie an.
»Wir wurden heute Abend angegriffen«, erklärte sie. Sie deutete auf Gábors Schulter, dort, wo die Attentäter ihm die oberflächliche Wunde beigebracht hatten. Er hatte sich noch in der Königsburg von ihr das Hemd aufschneiden und einen Verband anlegen lassen.
Ihr Herz zog sich zusammen. »Die Angreifer wollten nicht den König, sie wollten dich, Gábor.« Jetzt, da sie es ausgesprochen hatte, wusste sie, dass es stimmte. Die Fremden hätten den König angreifen können, er hatte direkt neben ihnen gestanden. Stattdessen hatten sie weiter gegen Gábor gekämpft, im verzweifelten Bemühen, ihn tödlich auszuschalten.
Gábors Blick fuhr ihr durch Mark und Bein. Er wusste es
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