Mondherz
ebenfalls.
»Wie lange schon?«, flüsterte sie.
Sein Gesicht war ruhig. »Seit einigen Wochen. Es gab einen Zwischenfall mit Gift. Allerdings konnte ich nicht herausfinden, wer dahintersteckte.«
»Gift?« Sie schnappte nach Luft. Und er hatte ihr nichts davon erzählt. Waren sie sich so fremd geworden? Wäre er gestorben … Es war, als läge ein Eisenband um ihre Kehle, das ihr die Luft abschnürte. Sie schloss die Augen. »Wer kann so hinterhältig sein? Paulo, wer will Gábor umbringen?«
»Drăculea.« Paulo zischte diesen Namen, der wie ein Fluch auf seinen Lippen klang. Die Roma spuckten ins Feuer, und die Flammen zuckten in die Höhe, als wollten sie nach den Männern greifen.
»Doch er nicht allein«, fügte Paulo hinzu. »Arpad sagt, es ist wegen seinem Blut. Nicht Wolfsblut. Anderes. Aber wer noch, er will nicht nennen.«
»Deine Herkunft.« Veronika sah Gábor an.
Der Schein des Feuers flackerte auf seinem Gesicht. Er hatte die Lippen so fest aufeinandergepresst, dass seine Wangenmuskeln hervortraten.
»Warum sollten dich die Türken umbringen, wenn du doch ein halber Türke bist? Das ergibt keinen Sinn.« Am liebsten wollte sie ihn schütteln, weil er so ruhig blieb. »Sag doch etwas!« Sie sprang auf, stampfte mit den Füßen auf den Waldboden. »Damals in Belgrad, hat Arpad da nicht gesagt, er wüsste, wer dein türkischer Vater ist? Das haben in der ganzen Stadt die Vögel von den Dächern gesungen.«
»Lügen«, presste Gábor hervor. »Alles Lügen. Arpad versucht nur, seine Haut zu retten.« Seine Augen brannten.
Veronika schüttelte den Kopf. »Er hatte recht, was das Mordkomplott betrifft. Dann könnte das andere auch stimmen.« Sie fuhr zu dem Flöter herum. »Paulo, was hat er noch gesagt?«
Doch der Flöter hob nur die Schultern. »Nur dass er Gábor helfen könnte. Wenn wir ihm helfen. Und wenn Gábor …«, er stockte, »… aus ihm einen Werwolf macht.«
»Das hat gerade noch gefehlt«, zischte Gábor. »Warum glaubt er überhaupt, dass seine Lügen irgendeine Bedeutung für mich haben? Miklos sollte ihn umbringen, bevor er noch weiteren Männern von den Werwölfen erzählt.«
Einige der Roma, die still lauschten, nickten zustimmend.
»Arpad ist Gefangener von Pavel«, erwiderte Paulo. Den Namen des Ältesten sprach er so furchtsam aus, wie ein anderer »Teufel« sagte. »Miklos will nicht, dass Pavel etwas davon erfährt. Er sagt, du sollst kommen. Nach Isaccea.«
»Ich gehe nirgendwohin!« Gábor ballte die Fäuste. »Miklos muss verrückt geworden sein.«
Miklos will, dass du Buda verlässt, damit du vor Drăculeas Attentätern sicher bist,
dachte Veronika. Sie starrte ins Feuer, auf die Flammen, die wie Teufelszungen auf und ab zuckten. Gábor war in Gefahr, in höchster Gefahr. Beinahe hätten die Meuchelmörder ihn heute erwischt. Und wie konnten sie etwas gegen diese Teufelsschergen tun, wenn sie nicht wussten, wer sie schickte? Miklos hatte recht.
»Reite nach Isaccea«, sagte sie. Sie packte Gábors Arm. »Nimm zwei schnelle Pferde und in zwei Wochen bist du dort.« Sie stockte. All ihr Hoffen und Bangen lag in ihren nächsten Worten. »Ich komme mit dir.«
Schweigen legte sich über die Runde. Was die Roma dachten, konnte Veronika nicht sagen. Ihre aufmerksamen Blicke kitzelten ihre Haut.
Zu Gábor schienen ihre drängenden Worte hingegen nur langsam durchzudringen. Er blinzelte, dann sah er ihr in die Augen. »Nein.«
Das Wort war wie ein Schlag ins Gesicht. Sie ließ seinen Arm los.
»Ich gehe nirgendwohin. Ich bin dem König verpflichtet.«
»Wie willst du ihm dienen, wenn du tot bist?«, rief sie. »Jemand will dich umbringen, und selbst wenn du Drăculea tötest, ist die Gefahr nicht gebannt. Bitte, du musst die Stadt verlassen und herausfinden, wer es ist.«
Ihr Herz sank, als sie seinen Blick sah. Er wollte sich nicht mit ihr streiten, schon gar nicht vor den Augen all dieser Fremden. Doch sie konnte nicht zulassen, dass er bei seinem Entschluss blieb. »Komm mit«, bat sie und stand auf. »Gehen wir ein Stück in den Wald.«
Gábor erhob sich nur zögernd. Sie nickte Paulo und Senando entschuldigend zu, dann packte sie seine Hand so fest sie konnte.
Ich sollte dich eigenhändig von hier wegzerren, du stolzer Mistkerl,
sagte ihr Blick. Das genügte wohl, denn er folgte ihr ohne weitere Gegenwehr.
Äste knackten unter ihren Füßen, ein Vogel flog auf. Tief unter dem Dach der Bäume blieb sie schwer atmend stehen. Immer noch hielt sie Gábors
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