Mondherz
über ihre Unterredung, und die anwesenden Soldaten waren zum Stillschweigen verpflichtet worden.
Am gleichen Abend strafte der König seinen Regenten mit öffentlicher Missachtung. Bei einem Mahl mit einem Gesandten des Papstes, zu dem auch die Würdenträger des Hofes geladen waren, wurde Michael Szilagyi ein Platz ganz am Ende der Tafel zugewiesen. Als der Regent sich über diesen Irrtum beklagte, ignorierte ihn der König geflissentlich. Auch an den folgenden Tagen wurde der Regent nicht zum König vorgelassen. Mehrere Kämmerer wurden Zeuge von Michaels Wutanfällen. Als einer von ihnen es wagte, den König auf diese Vorfälle anzusprechen, bekam er nur eine kühle, sehr durchdachte Antwort: »Herr Szilagyi hat sich meines Vertrauens als nicht würdig erwiesen. Bis er seine Loyalität nicht erneut unter Beweis stellt, gehört er nicht mehr zu meinen Ratgebern.«
Voller Spannung wartete der Hofstaat auf Michaels Reaktion auf diese unmissverständlichen Worte. Würde er, der außerdem oberster Feldherr war, von der Regentschaft zurücktreten? Oder würde er verstärkt um das verlorene Vertrauen kämpfen, etwa durch neue Heldentaten? Doch keines von beidem geschah. Michael erschien in den folgenden Tagen nicht mehr bei Hof, sondern kümmerte sich von seinem Stadthaus aus um seine vielfältigen Aufgaben. Stattdessen kam die Königsmutter zu ihrem Sohn, um für ihren Bruder zu bitten. Obwohl der König sie in seinen privaten Gemächern empfing, drangen Teile ihres Streits nach außen. Und so wurde auch bekannt, dass die Gräfin mit aller Strenge, doch ohne Erfolg gegen Mathias’ neue Begleiterin protestiert hatte.
Wer war diese junge Frau? Keiner bei Hof wusste diese Frage befriedigend zu beantworten. Sie hatte den König zu Drăculea begleitet und an seiner Seite gesessen, als er Michael ans Ende der Tafel verbannt hatte. Mancher munkelte, dass sie vorher gar bei Michael gelebt hatte. War sie der Grund für das Zerwürfnis? Doch wie eine Hure wirkte sie nicht, denn sie war eindeutig von Adel. Sie kleidete sich nach der neuesten Mode, und um ihr hüftlanges blondes Haar und die feine Haut wurde sie von vielen Frauen offen beneidet. Ihr Lächeln wusste die Männer zu betören, und formvollendet waren ihre höfischen Manieren, wenn sie auch auf alle Fragen nach ihrer Herkunft auszuweichen wusste. Stets haftete ihr etwas Geheimnisvolles an. Ihre Bewegungen waren trotz aller Eleganz etwas zu wild, trotz aller Zartheit ein wenig zu kraftvoll. Ihr Diener, der kam und ging, wann er wollte, sprach mit niemandem ein Wort. Er hörte auf den südlich klingenden Namen Paulo, hatte dunkle Haut und warf nur mürrische Blicke um sich. Es hieß, dass er oft in den Ställen schlief und dort die Tiere mit den sanften Tönen seiner Flöte verhexte. Manche glaubten gar, er wäre ein Türke.
Und die Frau, war sie überhaupt des Königs Geliebte? Es war wahr, er betete sie an, doch seine Leibdiener wussten hinter vorgehaltener Hand zu berichten, dass sie nicht in seinem Bett, sondern in einer der Nebenkammern der königlichen Gemächer schlief. Was war sie also? Hure? Geliebte? Oder die nächste Königin?
Veronika wusste, was die Leute über sie redeten, sie hörte ihr Flüstern auf den Gängen und an der abendlichen Tafel, doch es war ihr gleichgültig. Es gab niemanden hier, der sie als Nichte des vergangenen Regenten hätte erkennen können. Selbst als sie dieses Leben noch gelebt hatte, war sie am Königshof vollkommen unbekannt gewesen, da ihr Onkel sie niemals hierher mitgenommen hatte. Je wilder nun die Gerüchte wucherten, desto klarer sprachen sie von der Ratlosigkeit der Leute.
Viel drängender waren andere Sorgen. Drăculea hatte trotz der Folter kein Wort zu den Mordanschlägen auf Gábor gesagt. Stattdessen hatte er ihnen wie ein wahnsinniger Dämon die Zunge herausgestreckt und dem König ins Gesicht gelacht. Wäre nicht der berechnende Ausdruck seiner Augen gewesen, hätte Veronika ihn für verrückt gehalten. Doch so wusste sie, dass es ein Fehler wäre, ihn zu unterschätzen.
Noch nie zuvor war sie ihm begegnet, doch das Wissen, dass dieser Mann schuld an Viktors und Ilais Tod war, dass er Gábor umbringen wollte, ließ sie vor Hass fast die Kontrolle verlieren. Sie knurrte ihn an, und als er sie überrascht und neugierig anstarrte, wusste sie, dass ihre Augen sich verdunkelt hatten. Die Schwärze seiner eigenen Augen schien sie herauszufordern, sie auszulachen, obwohl sie wusste, dass er die wölfische Wut,
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