Mondherz
den Hass in ihrem Blick lesen konnte.
Wir werden dich kriegen.
Zu ihrer Genugtuung war er es, der als Erster wegschaute, und das keinen Augenblick zu früh. Es kostete sie einige tiefe Atemzüge, um die Wölfin wieder zurückzudrängen.
Sie hatte die Waffenknechte aufgefordert, ihn weiterzufoltern, bis er gestand. Sie hatte das weniger aus Blutdurst getan, sondern aus dem Drang heraus, endlich die Wahrheit von den Lippen dieses Mörders zu hören. Die Soldaten hatten sie allerdings angestarrt, als wäre sie eine Hexe. Der König selbst war es, der schließlich eingriff und den Gefangenen entließ. Veronika nahm es Mathias immer noch übel, dass Drăculea trotz seiner Verweigerung recht glimpflich davongekommen war. So wussten sie immer noch nicht, wer hinter dem Mordkomplott auf Gábor steckte.
Immerhin schmorte Drăculea nun in einer Kerkerzelle. Sie bezweifelte allerdings, dass ihn das zur Einsicht bringen würde. Im Gegenteil, die ersten Stimmen waren bereits laut geworden, die über die unangemessen harten Bedingungen seiner Gefangenschaft schimpften. Drăculea hatte während seiner jahrelangen Reisen im Exil zahlreiche Kontakte geknüpft. Da ihm sein Verrat nicht bewiesen werden konnte, hatte er am Königshof immer noch eine Handvoll wichtiger Freunde.
Ihre größte Bürde war jedoch nicht Drăculea, sondern das königliche Bett. Sie bereute ihren Entschluss nicht, denn er war nur die letzte Konsequenz ihrer Liebe zu Gábor gewesen. Sie würde sich wieder so entscheiden. Und wenn ihr Schicksal sich dieses Winkelzugs bedient hatte, um sie so weit zu bringen, dann war sie wohl wirklich die Auserwählte.
Mathias ließ ihr einige Tage Zeit, in denen er sie zwar bei Hof als seine Begleiterin einführte, ihr in den Abendstunden jedoch gestattete, sich zurückzuziehen. Doch die unbeschwerte, jungenhafte Seite, die sie in Milutin kennengelernt hatte, war nur eine Facette seines Charakters. Als König scheute er den Konflikt nicht, weder mit seinen Beratern noch mit den wohlhabenden Grafen und Baronen, die sich mit ihm um Steuern und Landgüter stritten. Sie erlebte, wie ferne Staatsgäste aus Frankreich oder Österreich enttäuscht wurden, die glaubten, mit dem neuen König ein leichtes Spiel zu haben. Denn er ließ sich von ihren Komplimenten und Schmeicheleien nur wenig beeindrucken. Veronika verstand, warum Gábor an ihn glaubte, und je mehr ihr Respekt wuchs, desto mehr Sorgen machte sie sich. Er war der König, er war es gewohnt, dass er bekam, was er wollte. Und so kam er eines Abends auch zu ihr.
Die verstohlenen Blicke, die er ihr den Tag über zugeworfen hatte, ließen sie ahnen, dass er nicht mehr länger warten wollte. Daher hatte sie sich noch nicht zur Nacht umgekleidet und empfing ihn ohne Überraschung. Ihr Herz pochte laut vor Aufregung, und als sie ihm einen Becher Wein einschenkte, zitterte ihre Hand.
»Veronika.« Mathias griff nach ihrer Hand. »Was ist mit Euch?« Er lächelte, doch an den roten Flecken auf seinen Wangen erkannte sie, dass er sehr wohl wusste, warum sie angespannt war.
Wortlos ließ sie sich von ihm an seine Seite auf die Sitzbank ziehen. Er behielt ihre Hand in der seinen. Ihre Knie berührten sich, als er sich ihr zuwandte.
»Habt Ihr Euch gut eingelebt?«, fragte er leise. Seine Augen schimmerten. »Ist alles zu Eurer Zufriedenheit?«
Sie räusperte sich. Ihr Herz schlug hart und schnell, und immer noch fehlten ihr die Worte. Bei Gott, sie war so nervös wie ein Reh, das von Jägern in die Ecke getrieben worden war. Dabei war es Mathias, den sie bereits kannte und mochte. Sie hätte es auch schlimmer treffen können. Ihre Wölfin grollte, doch sie unterdrückte deren Impulse rasch, wie seit Tagen schon. Sie konnte ihr nicht mehr trauen, ihr Freiheitswille, ihre Traurigkeit behinderten sie. Sie musste ganz Mensch sein, um ihre Pflicht zu erfüllen.
»Küsst mich, Majestät«, flüsterte sie und schloss die Augen.
Sie hörte, wie Mathias schneller atmete, spürte, wie seine Hand ihren Nacken umfasste. Und dann waren seine Lippen auf den ihren, warm und weich, und doch zwei Fremdkörper, die ihr die Luft zum Atmen raubten. Ihre Wölfin grollte lauter, wollte sich aus seinem Griff lösen.
Halt still,
fuhr Veronika sie an. Sie presste die Augen zusammen. Mathias rutschte näher, löste sich nur einen Augenblick, um ihren Namen zu flüstern. Dann küsste er sie wieder. Im nächsten Moment fühlte sie seine Hände an ihren Brüsten.
Sie schlug ihm ins Gesicht.
Mathias
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