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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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die Gábor kannte, bedachte den Neuankömmling mit einem Lächeln, das unregelmäßige Zähne freigab. Er war glatt rasiert und trug das blonde Haar so kurz geschoren wie ein Landsknecht. Gábor verdächtigte ihn insgeheim, dass er diese Frisur aus Eitelkeit wählte, war sein Haar in den letzten Jahren doch zunehmend schütter geworden. Er musterte seinen Wolfsbruder aufmerksam. Es war ihm in letzter Zeit gut ergangen. Sein dunkelrotes Wams war aus feinstem Tuch und wies kunstvoll gestickte Ziernähte auf. Auch der pelzbesetzte Umhang kündete von Reichtum und seinem hohen Adelsstand. Die Schneider brauchten Stoff für zwei Männer, um Michael einzukleiden, denn unter dem Samt verbarg sich ein wahrer Koloss, ein Kerl, vor dessen Muskelkraft selbst ein wilder Hengst scheute. Gábor musste sich seiner eigenen Körpergröße nicht schämen, doch Michael überragte ihn noch um mehr als eine Handbreit.
    »Ich habe gehört, du hast jemanden mitgebracht«, sagte der Riese. Sein Grinsen zeigte, dass er bereits genau informiert worden war.
    Gábor nickte. Er war nicht überrascht. »Ich habe die Auserwählte gefunden.«
    »Meinen Glückwunsch. Dann hat deine unselige Suche endlich ein Ende.« Michael drückte ihm einen Zinnbecher in die Hand. »Wurde auch Zeit. Man konnte kaum mehr mit ansehen, wie dich Viktors Auftrag gequält hat in den letzten, lass mich überlegen …«, er zog die Augenbrauen hoch, »zehn Jahren?«
    Gábor schenkte sich Wein ein. Michael machte sich stets ein Vergnügen daraus, Leute durch klug kalkulierte, aber despektierlich formulierte Äußerungen zu verärgern. Aus ihm sprach die Arroganz des Hochadels, der vor wenigen Dingen wirklich Respekt hegte. Darin unterschied er sich von seinem Schwager Johann Hunyadi, der sich aus eigener Kraft vom armen Landadligen zum wichtigsten Feldherrn Europas hochgearbeitet hatte. Die Heirat mit Michaels Schwester hatte ihm dennoch nicht den Zugang zur ränkesüchtigen Welt des Hochadels geöffnet. Für Grafen wie Ulrich Cilli, die an Luxus gewöhnt waren und ihre Macht auf die Undurchlässigkeit der Ständegesellschaft bauten, war Graf Hunyadi eine Bedrohung. Das Gerücht, dass die Hunyadis wie eine primitive Meute in ihrer Burg in Temeschburg hausten, war noch das harmloseste, das in diesen Kreisen über sie im Umlauf war. Doch trotz der Verachtung des Adels, oder vielleicht genau deswegen, war Hunyadi beliebt beim einfachen Volk. Er hatte sich seine Sporen in ehrlichen Kämpfen verdient, nicht in den Intrigenschmieden der Hochgeborenen. Außerdem hatte Hunyadi ein gutes Herz. Vor mehr als einem Jahrzehnt hatte der Bruder seiner Frau nach einem Reitunfall auf dem Sterbebett gelegen. Hunyadi hatte seinen Freund Viktor angefleht, ihn durch den Wolfskuss zu retten. So war Michael zum Werwolf und Mitglied des Bundes geworden.
    Gábor und Michael hatten außer dem Wolfsblut und ihrem Lehrer kaum etwas gemeinsam. Gábor zog die Einsamkeit den meisten Gesellschaften vor. Der einzige Begleiter, den er seit ein paar Jahren an seiner Seite duldete, war Miklos, sein vernarbter, Kirchen hassender Schüler. Michaels Band zur Welt der Menschen war dagegen viel enger geknüpft. Er nahm sich zahlreiche Geliebte. Stets begleitete ihn eine Gefolgschaft von Rittern und Kriegsknechten, die ihm nicht nur aufgrund ihres Dienstvertrags verpflichtet waren. Die Menschen spürten seine Wildheit und seine Kraft, die kaum gezügelt unter der Oberfläche lauerte, und sie bewunderten ihn dafür – und kaum einer konnte seinem frechen Charme widerstehen. Die drei ergebensten Männer hatte er mit Viktors Erlaubnis zum Stand der Werwölfe erhoben. Gábor argwöhnte, dass diese drei sich weniger den Zielen des Bundes verpflichtet fühlten als ihrem Herrn. Er war der Führer ihres Rudels und sie waren seine persönliche Einsatztruppe, bereit, ihre Leben für ihn zu geben. Dies war ein Grund, warum Gábor Michael niemals vollständig vertraute. Ihm war zu viel am eigenen Ruhm gelegen. Wenn sie sich nicht zu häufig begegneten, kamen sie jedoch gut miteinander aus. Von Michaels Sprüchen ließ er sich jedenfalls selten aus der Ruhe bringen.
    »Ich wusste nicht, dass ich dir solche Sorgen bereitet habe«, erwiderte er trocken.
    Michael lachte jenes grollende Lachen, mit dem er diejenigen, die er genarrt hatte, oft noch wütender machte. »Ich konnte kaum mehr schlafen, alter Freund. Und jetzt hast du dir ausgerechnet die behütete Nichte von Cilli gegriffen.« Er nahm einen großen Schluck von

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