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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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hinein. »Wir müssen uns trennen«, keuchte sie so leise wie möglich. »Versteck dich in einem Hauseingang, dich haben sie nicht gesehen.«
    Paulo schüttelte den Kopf, doch sie hatte jetzt keine Zeit für Widerspruch. Ihre Gedanken rasten. »Wir treffen uns bei Michael«, raunte sie. Er war der Einzige, der ihr einfiel.
    »Michael«, wiederholte Paulo.
    »Lauf!«, zischte Veronika und schubste ihn in die nächste Seitengasse, während sie selbst geradeaus lief. Einen Blick erhaschte sie auf ihre Verfolger, dann bog sie in eine der nächsten Gassen ein.
    Isaccea, Juli 1458
    Miklos hämmerte mit den Fäusten gegen die verschlossene Tür. Die massiven Eisenangeln ächzten, doch sie bewegten sich nicht.
    »Hör auf damit«, sagte Gábor ruhig.
    Sie waren in einen Raum gebracht worden, von dem er annahm, dass es Miklos’ Schlafkammer war. Die schmale Fensterluke ließ nur ein wenig Mondlicht herein, aber es gab auch nicht viel zu sehen. Außer einer Pritsche und einem Schreibpult gab es keine Möbel, und Miklos’ Waffen hatten die Werwölfe mitgenommen.
    »Setzen wir uns.« Gábor deutete auf die Pritsche.
    »Aber er bringt ihn um«, rief Miklos und schlug mit neuer Kraft auf die Tür ein. »Er bringt Arpad um, ehe wir erfahren, was er dir zu sagen hatte!«
    »Das könnte sein.« Gábor nickte. Er fühlte sich ruhig, gespenstisch ruhig.
Vergiss nie, wer du bist.
Die Stimme seiner Mutter dröhnte in seinem Ohr, als wäre sie nicht eine längst verblasste Erinnerung. »Doch eines wissen wir inzwischen.« Er murmelte die Worte nur, doch sie veranlassten Miklos endlich, sich zu ihm umzudrehen.
    »Was?«, fragte er.
    »Was immer Arpad über meine Herkunft weiß, Pavel weiß es auch.« Gábor atmete tief durch. »Und wenn ich Pavels Worten glauben kann, dann wusste auch Viktor davon.«
    Miklos ließ sich nun neben ihm auf die Pritsche fallen und versank in nachdenkliches Schweigen. Auch Gábor blieb stumm.
Dein verfluchter, herumhurender Vater.
Er hörte Pavels Worte, und er sah die Türken vor sich, die ihn von seiner Mutter weggezerrt hatten. Die Fremden, die ihn gezwungen hatten, einer von ihnen zu werden. Bei Gott, damals hätte er alles um den Namen seines Vaters gegeben. Doch dann war er geflohen und von Viktor gebissen worden. Warum sollte der Name seines Erzeugers ausgerechnet jetzt irgendeine Rolle spielen? Wie hing das alles bloß zusammen? Seine Herkunft, Arpad, das Mordkomplott? Er musste es herausfinden. Veronika hatte deswegen ihre Freiheit geopfert …
    Er sprang plötzlich auf. »Was ist mit dem Bruder von Paulo? War er nicht bei dir geblieben?«
    Miklos erhob sich ebenfalls. »Marko.« Er nickte.
    »Wo ist er?«
    »Bei den Pferden.« Miklos zeigte zur Luke hinaus. »Pavel hat ihm eine Aufgabe in den Ställen übertragen.«
    Gábor fuhr sich durchs Haar, während er in der Kammer auf und ab ging. Pavel hatte keine Wachen vor ihrer Tür postiert, er schien viel zu überzeugt von seiner Macht als Ältester, um dies für nötig zu befinden. Vielleicht war das sein Fehler. »Gibt es einen Weg, Marko zu verständigen?«, fragte er. »Er müsste nur den Riegel vor der Tür öffnen, dann wären wir frei.«
    Miklos furchte die vernarbte Stirn. »Vielleicht …« Er wisperte unwillkürlich. »Die Roma haben ihre eigene Geheimschrift, Zeichen, die sie in Holz schnitzen, um sich Nachrichten zu übermitteln.
Devanagari
nennen sie sie. Auf meine Bitten hat Marko mir einiges beigebracht.« Er blinzelte. »Hast du ein Messer in deinem Stiefel?«
    Wortlos bückte sich Gábor und schnürte seinen Lederschuh auf, zog erst den Fuß, dann die schmale Klinge heraus, die er stets in der Sohle verbarg. Bei der Durchsuchung nach Waffen hatten Pavels Männer nicht daran gedacht, dort nachzuschauen.
    Er reichte sie Miklos, der bereits am Pfosten seiner Pritsche zog. Das Holz brach, und Miklos setzte sich damit auf den Boden, im Nu vertieft in seine Schnitzerei. Gábor starrte währenddessen aus der Luke, auf die Dächer der Ställe hinunter. Er hörte die Pferde schnauben und mit den Hufen scharren. Ihr Plan konnte gelingen, Miklos’ Interesse für Schriften konnte vielleicht Arpads Leben retten. Nicht, dass ihm viel an dem Kerl lag. Er streckte einen Arm aus der Luke, die für seine Schulter gerade breit genug war, und kratzte mit den Fingern über den porösen Stein.
    »Fertig.« Miklos tauchte grinsend neben ihm auf. »Dort, in der Sattelkammer.« Er deutete auf den rechten Teil des Daches. »Dort schläft Marko.«
    Gábor

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