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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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hatte er hier zu suchen? Er schien sie weder gerochen noch gehört zu haben. Erst als seine Schritte fast verklungen waren, richtete sie sich auf.
    »Bleib hier«, raunte sie Paulo zu. Sie drückte ihm die Zügel ihres Pferdes in die Hand und huschte zur Tür. Atemlos spähte sie über den Hof. Dort sah sie ihn. Er verschwand im Schatten des Westturms. Mit einem leisen Klappern fiel eine Tür hinter ihm zu. Sie zögerte.
    Nein, sie konnte Buda nicht verlassen, ohne zu wissen, was der fremde Werwolf hier wollte. Also folgte sie ihm. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, die Luft war frisch und klar.
    Im Westturm befand sich neben den Lagerräumen der Küche und zahlreichen Kammern, in denen Bedienstete schliefen, der Zugang zum Kerker. Außerdem gab es noch einen Wachraum für Soldaten, die jedoch wenig mehr zu tun hatten, als dafür zu sorgen, dass die Tür zum Kerker verschlossen blieb. Es gab nur einen Gefangenen von Wert dort unten: Drăculea.
    Schnell hatte sie den Westturm erreicht. Die Tür war nur angelehnt. Ehe sie das Holz berühren konnte, hörte sie Stimmen dahinter. Die Wachsoldaten. Lauschend beugte sie sich vor.
    »Zwei Gulden für jeden Besuch«, brummte der eine. »Und am Tor vorn hat er auch zwei bezahlt. Der Kerl muss wirklich reich sein.«
    »Soll uns doch recht sein«, sagte ein anderer. »Elek sagt, dass er dort unten nichts anderes tut als mit dem Grafen zu reden. Reden, reden, reden. Elek langweilt sich, weil er kein Wort Walachisch versteht.«
    »Wir sollten drei Gulden verlangen«, meinte der Erste wieder. »Dafür kriegen wir nicht nur Braten und Bier für eine Woche, sondern drei Huren obendrauf.« Sie lachten.
    Veronika konnte kaum glauben, was sie da hörte. Ihre Wölfin tobte vor Wut. Das roch nach Verrat. Sie musste dem Impuls widerstehen, einfach hineinzustürmen, sie durfte nicht entdeckt werden.
    Eilig schlich sie zum Stall zurück. Der Werwolf würde dort wieder vorbeikommen, wenn er zurück in die Stadt wollte. In leisen Worten berichtete sie Paulo, was sie erfahren hatte.
    Paulo sagte nichts dazu. Er bemühte sich um eine unbewegte Miene, doch in seinen Augen las sie Angst.
    Sie ballte die Fäuste. »Wir können noch nicht aufbrechen«, flüsterte sie. Auch darüber war sie wütend. »Ich muss herausfinden, was dahintersteckt. Sobald er vorbeikommt, folge ich ihm.«
    »Ich komme mit«, sagte Paulo.
    »Das ist zu gefährlich.«
    »Wenn Drăculea eigenen Wolf hat, ich will wissen«, erwiderte er. »Meine Familie muss wissen.« Immer noch sah sie seine Angst, doch dahinter die Entschlossenheit. »Und du kannst kein Walachisch, Wolfsfrau.«
    Dem konnte sie nicht widersprechen. Schweigend warteten sie. Veronika saß in einer Ecke hinter den Pferden, deren Geruch hoffentlich ihren eigenen überdeckte. Gábor oder Miklos wären allerdings niemals darauf hereingefallen.
    Es schien eine Ewigkeit zu vergehen. Ob Mathias sie inzwischen suchen ließ? Veronika verdrängte jeden Gedanken daran. Endlich ertönten die leisen Schritte.
    Der Werwolf schlich am Stall vorbei, ohne innezuhalten. Seine Sinne schienen nicht besonders gut ausgebildet zu sein. Wahrscheinlich hatte er seine neue Gestalt noch nicht lange. Das beruhigte sie jedoch kaum.
    Sobald seine Schritte verklangen, erhob sie sich und huschte zur Tür. Der Fremde drehte sich nicht um, als er sich aus dem Schatten der Mauer löste und auf das Burgtor zuhielt. Im blassen Mondlicht erhaschte sie einen Blick auf sein Gesicht, unscheinbare Züge unter strähnigen braunen Haaren. Nach einem kurzen Wortwechsel öffneten ihm die Wachleute die Nebenpforte und ließen ihn passieren.
    »Jetzt«, raunte Veronika Paulo zu. Eilig überquerte sie den Burghof, und Paulo folgte ihr.
    Sie war froh, einige Gulden in ihren Unterrock eingenäht zu haben, eine Angewohnheit, die sie seit ihrer ersten Flucht beibehalten hatte. Noch im Gehen hob sie ihr Oberkleid, das aus lindgrüner, fein geschneiderter Seide bestand. Sie griff nach dem seitlichen Saum ihres Unterrocks. Dort an der Hüfte ertastete sie die Münzen. Sie riss den Stoff entzwei, bis sie das Metall zwischen ihren Fingern spürte. Bevor die Wachen sich zu ihnen umdrehten, hatte sie ihren Rock wieder glatt gestrichen und einen hochmütigen Blick aufgesetzt.
    »Öffnet die Pforte«, befahl sie herrisch, und als die Männer zögerten, hob sie die Augenbrauen. Seufzend zeigte sie ihnen einen der Gulden. »Gegen eine kleine Gefälligkeit natürlich.«
    Grinsend öffneten sie ihr die Nebenpforte.

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