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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Kraft.
    »Du wirst dich verwandeln«, sagte Gábor ruhig. »Noch heute Nacht.« Zumindest, wenn er es zuließ, doch das sagte er nicht laut.
    Arpads Augen wurden groß. »Das ist verrückter als alles, was ich bisher erlebt habe«, flüsterte er. Dann grinste er. »So lange hab ich unter den Dächern der Türken gehaust, doch eigentlich bedeuten sie mir nichts. Das, was du bist, wollte ich sein. Stark genug, um kein Diener mehr sein zu müssen, der fremden Herren den Arsch abwischt.« Seine Augen blitzten, und er versuchte, sich aufzurichten. Wie schwach er auch gewesen sein mochte, das Wolfsblut schien ihm neue Kraft zu verleihen.
    »Halt.« Gábor hob die Hand. »Erzähl erst zu Ende.«
    Arpad seufzte, doch er ließ sich wieder sinken. »Als wir uns den Weg aus der belagerten Burg freikämpften, stolperte ich über die Roma«, sagte er. »Ich vergesse nie ein Gesicht. Also nahm ich sie mit und versuchte, mehr über die Wölfe herauszufinden. Sie schwiegen eisern, deshalb versuchte ich es anders. Ich mästete sie mit Informationen wie zwei Hammel vor dem Opferfest. Eigentlich wollte ich sie laufenlassen, damit sie dir alles brav weitererzählen und
du
dich auf die Suche nach
mir
machst. Doch dann kamen mir Miklos und seine Kumpane in die Quere. Den Rest kennst du.«
    Gábor schwieg. Für eine Ewigkeit lauschte er dem Knistern der Flammen, dem Schrei einer Eule. Arpads Geschichte zog in dunklen Bildern an ihm vorüber. Er wusste, dass der Türke die Wahrheit erzählt hatte. Türke? Seinem Blut nach war Gábor mehr Türke als er. Und zuallererst war Arpad nun Werwolf, wie Miklos und Gábor auch. Er zögerte. Doch er musste eine Entscheidung treffen.
    »Gábor«, flüsterte Miklos da.
    Er fuhr zu ihm herum.
    Miklos sah ihn mit großen Augen an. Unsicherheit stand darin. »Wenn Viktor und Pavel von deinem Vater erfahren haben, warum haben sie dir nichts von ihm erzählt?«
    Gábor atmete tief ein. Diese sturen alten Männer. Vor allem Viktor. Er spürte keine Wut, nur Enttäuschung. So viele Jahre, in denen er sein Leben für ihn gegeben hätte. Ein Rudel, eine Familie. Daran hatte er geglaubt. Stattdessen war er nur Viktors Werkzeug gewesen, mehr Hund als Wolf und niemals Mensch genug, um ihm das Wissen über seine Herkunft anzuvertrauen. Hatte Viktor gedacht, dass Gábor dieses Wissen nutzen würde, um zurück zu den Türken zu gehen? Dass er bereit sei, für seinen fremden Erzeuger alles zu verraten, was Viktor ihn gelehrt hatte?
    »Gábor«, keuchte Arpad plötzlich, doch er ignorierte ihn.
    »Die Ältesten trauten mir nicht«, murmelte er.
    »Wahrscheinlich.« Miklos starrte ihn immer noch an, die Augen aufgerissen. »Und als du dich der Prophezeiung verpflichtet hast, war der Punkt überschritten, an dem sie dir jemals die Wahrheit hätten sagen können.«
    »Wie meinst du das?« Gábor runzelte die Stirn. Miklos’ Aufregung irritierte ihn. Als hätte der Junge etwas erkannt, was ihm verborgen blieb.
    »Denk an das Königsblut«, rief Miklos ungeduldig aus. Er schüttelte den Kopf angesichts Gábors offensichtlicher Verständnislosigkeit. »Königsblut, Sultansblut. Das Kind aus der Prophezeiung, ein unheiliges Türkenbalg!«
    Als der Mond das Rund der Felsen überschritt und die Lichtung in silbriges Licht tauchte, als Arpad sich aufrichtete und zu knurren begann, flüsterte Miklos eine einziges weiteres Wort: »Veronika!«
    Und Gábor begriff. Er keuchte auf.
    Die Welt schien sich zu verlangsamen, Farben und Gerüche sich zu einer neuen Intensität zu verdichten. Die warme Luft des Feuers strich wie ein trockener Kuss über sein Gesicht. Niemals, so schien es ihm, hatte er sich wacher gefühlt.
    Er sprang auf, sah zum Mond hinauf, zu seiner immerwährenden Stärke. »Sie hat es gewusst, sie hat es immer schon gewusst«, flüsterte er zu ihm empor.
    Arpad grollte, warf die Decke von seinem Körper und rollte sich auf alle viere. Rotes Fell spross auf seinen Armen, seinen Beinen, und er heulte auf, das Gesicht ebenfalls dem Mond zugewandt.
    Gábor traf seine Entscheidung ohne jedes Zögern. Er griff an den Kragen seiner Tunika und riss ihn auseinander. Jeder Zentimeter seiner Haut schien zu bersten, als die Kraft seines Wolfs hervorbrach. Fell spross auch auf seinen Schultern, seinen Wangen, zwischen seinen Fingern. Die Gelenke streckten sich, als er in die Knie ging. Der Schmerz war nur ein schwaches Echo.
    »Wir müssen zurück nach Buda!«, rief er Miklos zu. Seine Stimme war kaum noch menschlich.
    Er warf den

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