Mondherz
Kopf zurück. Sein Ruf wuchs an zu einem dunklen Geheul, als er sich in den Wolf verwandelte. Erzählte es von Triumph oder Schmerz? Er wusste es nicht. Auch Arpad galt sein Ruf, seinem neuen Bruder, an dessen menschliche Seite er keinen Gedanken mehr verschwendete.
Neben einem roten und einem goldenen Wolf brach er durchs Gebüsch, ein schwarzer Rüde mit Kohleaugen. Es zog ihn nach Westen, dort wo der Mond hing und seine Gefährtin auf ihn wartete.
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35 . Kapitel
Buda, August 1458
E s war ein heller Sommervormittag, als sie Buda erreichten. Gábor wusste nicht genau, wie viele Tage vergangen waren, seit sie in ihrer Wolfsgestalt in den Karpaten aufgebrochen waren. Tag und Nacht waren sie getrabt, selbst Arpad, dessen einstige Schwäche wie ein vergessener Traum erschien.
Erst vor wenigen Stunden, als sie die Nähe der Donau schon riechen konnten, hatten sie ihre menschliche Gestalt wieder angenommen. Im nächsten Dorf hatten sie zwei Händler ausgeraubt, die so betrunken gewesen waren, dass sie sie im Adamskostüm auf dem Misthaufen der Herberge zurückgelassen hatten, wo sie friedlich weiterschliefen. Die Kleidungsstücke teilten sie untereinander auf.
Die grellgrüne Ärmeltunika des Händlers klebte Gábor unangenehm auf der Brust, und das schmierige Beinkleid verströmte einen Geruch, den er lieber nicht identifizieren wollte.
Er warf Arpad einen skeptischen Blick zu. Der Türke hatte sein rotes Haar im Nacken zusammengeschlungen und unter eine vergilbte Samtkappe gesteckt. Die Tunika des Händlers war ihm ein ganzes Stück zu eng, und die Ärmel hatte er abgerissen, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Mit der Gänsefeder, die er sich gerade an die Kappe steckte, sah er weniger wie ein ungarischer Bürger und mehr wie ein verwegener Strauchdieb aus. Doch immerhin ähnelte er auch dem früheren Janitschar nicht mehr.
Als er sich fertig angekleidet hatte, grinste er Gábor selbstzufrieden an.
»Wenn du glaubst«, knurrte Gábor, »dass du bereits alles weißt, was zum Überleben als Werwolf nötig ist, dann irrst du dich. Allein würdest du innerhalb weniger Tage von Pavel zerrissen werden.«
Arpad hob die Hände. »He, großer Meister, ich bin ganz Ohr.«
Gábor seufzte und fuhr sich über die Augen. »Also gut. Ich werde dir alles beibringen, doch ich fordere im Gegenzug, dass du nie wieder zu den Türken zurückkehrst. Und dass du mir bis zum Ende deiner Lehrzeit strikt gehorchst.«
Arpad musterte ihn nachdenklich. Er schien von Gábors hartem Tonfall nicht sonderlich beeindruckt. »Ich stimme zu«, sagte er schließlich. Dann nickte er noch einmal bekräftigend. »Ich werde tun, was du sagst. Und wenn ich dabei helfen kann, diesem Pavel das Fell zu gerben und ihn anschließend über dem Feuer zu rösten, könnt ihr erst recht auf mich zählen.« Er lächelte grimmig. »Was soll ich noch bei den türkischen Hammeln, wenn ich bei euch Wölfe zum Frühstück kriege.«
Miklos lachte, und selbst Gábor konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Doch er würde Arpad gegenüber vorsichtig bleiben. Der Türke musste erst noch beweisen, dass er tatsächlich Vertrauen verdiente. Mit einem stummen Blick verständigte Gábor sich mit Miklos. Der Junge hörte auf zu lachen und nickte. Er würde den Türken nicht aus den Augen lassen.
Auf der Koppel hinter der Herberge fanden sie drei Pferde. Die Tiere waren jung und ausgeruht, und es dauerte nicht lange, bis sie Pest erreichten, wo sie die Tiere zurückließen. Mit dem Notgroschen, den sie im Schritt eines der Beinkleider eingenäht gefunden hatten, erstanden sie bei einer Bäuerin Wurst und Brot und bezahlten den Fährmann, der sie nach Buda ruderte. Sie verschlangen das Essen, während sie vom Boot aus die Burg betrachteten, die sich steil über dem Fluss und der Stadt erhob. Arpad bekannte, dass er noch nie hier gewesen war. Er beobachtete die Menschen und das Gewühl auf dem Fährboot mit anscheinend unstillbarer Neugier. Gábor erinnerte sich, wie fremd und aufregend auch für ihn damals alles mit den neuen Augen des Wolfs ausgesehen hatte. Doch er war zu abgelenkt, um sich wirklich um Arpad zu kümmern.
Er sah zur Königsburg hinauf. Dort musste Veronika sein. Sein ganzes Sehnen galt ihr, gleichzeitig verkrampfte sich sein Herz, wenn er an sie dachte. Allein für ihn hatte sie sich der Prophezeiung gefügt. Sein Leben hatte sie retten wollen, und das nach allem, was er ihr angetan hatte. Nein, er hatte sie nicht verdient, und doch hoffte er mit
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