Mondherz
sie hatte seine Liebe genauso heftig erwidert, hatte wegen ihm gegen ihr angebliches Schicksal gekämpft. Obwohl sie wahrscheinlich gedacht hatte, dass sie Gábor für immer verloren hatte, hatte sie sogar Mathias zurückgewiesen, den König, der in sie verliebt war. Wie verblendet er gewesen war! Die Herkunft seines Vaters war nur das fehlende Glied in einer Kette, die er nun endlich verstand.
Die Kinder waren inzwischen weggerannt, sein Lachen hatte sie vertrieben. Miklos und Arpad schauten ihn verwirrt an.
»Wir müssen zurück nach Pest«, sagte er. »In den Wald, zum ehemaligen Romalager. Wenn wir eine Spur finden, dann dort.«
Miklos nickte. Arpad, der kaum mitreden konnte, zuckte nur mit den Achseln.
»Ich habe genug Geld für drei frische Pferde.« Gábor ließ seinen Blick erneut über den Fluss streifen, diesmal auf der Suche nach dem nächsten abfahrbereiten Fährboot. »Auch Waffen können wir in Pest oder irgendeiner anderen Stadt kaufen.« Er wandte sich bereits zum Gehen.
»Warte«, rief Miklos.
Ungeduldig fuhr er zu ihm herum.
»Was ist mit Michael?«, fragte Miklos. »Vielleicht hat sich Veronika an ihn gewandt. Sie brauchte ebenfalls Geld, vielleicht auch eine Waffe. Wenn sie den König nicht bestehlen wollte, war Michael der Einzige, der ihr helfen konnte.«
Gábor zögerte. Es zog ihn dort hinaus, in die Wälder, in die Weite. Er hatte nicht viel Lust, sich mit Michael zu treffen, mit dem ihn seit einem Jahr nur noch Streit verband. Wieder würde er sich hasserfüllte Schuldzuweisungen anhören müssen, obwohl der Regent selbst dafür verantwortlich war, dass ihm der König das Vertrauen entzogen hatte. Doch Miklos hatte recht. Es bestand die Möglichkeit, dass Veronika Michaels Hilfe gesucht hatte, und das konnte er nicht außer Acht lassen.
»Gut.« Er seufzte. »Dann erst noch zu Michael.«
Sie wandten sich vom Fluss ab und nach links, zum Gerberviertel, das gleich hinter dem Fischmarkt und dem Hafen lag. Gábor übersprang einen schmalen Bachlauf, der von den Abwässern der Gerberwerkstätten sauer roch wie vergorene Milch. Abseits des Hafens, aber immer noch in der Nähe des Flusses waren Budas Häuser windschief und ihre Bewohner bettelarm. Die drei Werwölfe ignorierten die neugierigen Blicke und erklommen den Hügel, näherten sich wieder der Königsburg und den reicheren Bürgerhäusern. Bald waren die schlammigen Straßen wieder gepflastert, die breiten Hofeingänge gaben den Blick auf eigene Stallungen frei, und so manche Fassade eines Bürgerhauses war kunstvoll bemalt. Sie waren noch einen Straßenzug von dem Platz entfernt, an dem das Haus des Regenten stand, als Gábors Wolf ihn zwang, stehen zu bleiben. Ein bekannter Duft streifte seine Nase. Und dann sah er den Mann auch schon, die schwarzen Haare, die ihm über den Rücken fielen, die dunklen, mürrischen Gesichtszüge.
Paulo kauerte in einem der Hauseingänge und verschlang mit großen Bissen einen Brotkanten. Er schaute erst auf, als Gábors Schatten auf ihn fiel. Er verschluckte sich an seinem Brot und hustete, als Gábor ihn auf die Beine zog.
»Wo ist Veronika?«, wollte Gábor sofort wissen. Er war so aufgeregt, dass er erst an Paulos entsetztem Gesichtsausdruck merkte, dass Arpad hinter ihm stand.
»Er!« Paulo keuchte. »Ist er …«
Gábor atmete tief durch. »Ich habe ihn gebissen.« Er bemühte sich um einen ruhigen Tonfall. »Er ist nun einer von uns.«
»Dego!«
Paulo zischte. »Teufel!« Er duckte sich unter Gábors Arm hindurch, sprang nach vorn und schlug Arpad mit all seiner Kraft zwischen die Rippen.
Arpad brüllte vor Überraschung auf und wankte. Doch schon im nächsten Moment hatte er sich wieder gefangen. Er knurrte und hob die Faust, wollte den Roma ebenfalls schlagen, als Gábor ihm den Arm auf den Rücken drehte.
»Nein«, sagte er. »Das hast du verdient.« Er nickte Paulo zu, und der Roma holte erneut aus, verpasste Arpad einen Faustschlag in den Bauch.
Arpad ächzte. Seine Wangen waren bleich geworden. »Das reicht!« Er riss sich mürrisch von Gábor los. »Ich hab’s verstanden.« Trotzdem knurrte er den Roma an, bevor er zwei Schritte zurücktrat, damit Paulo und Gábor reden konnten.
Paulo war bei dem Knurren ebenfalls einen Schritt zurückgetreten. Er musterte Arpad mit misstrauischen Blicken. Dass sich der Türke nicht auf ihn stürzte, schien ihn jedoch so weit zu beruhigen, dass er den Blick von ihm abwandte und Gábor ansah. »Wo ist Marko?«
»Er ist hierher unterwegs«,
Weitere Kostenlose Bücher