Mondherz
seinem Wein. »Allerdings frage ich mich schon, warum du Miklos auf einen Priester gehetzt hast? Früher war dein Vorgehen unauffälliger.«
Gábor verstimmte die Kritik mehr, als er sich anmerken ließ. »So war es nicht geplant. Ich glaubte, dass er seinen Groll auf die Kirche inzwischen besser unter Kontrolle hätte. Du kennst seine Vergangenheit. Dass er das Mädchen gebissen hat, war jedoch das Beste, das uns passieren konnte.«
»Ja, bemerkenswert, dass sie überlebt hat«, warf Michael ein. »Wie erklären sich die Leute in Buda ihr Verschwinden? Du hast dir hoffentlich was einfallen lassen.«
»Sie lag im Fieber, nachdem ein wilder Hund sie angefallen hatte. Bald wurde sie von Tollwut gepackt.« Gábor nahm nun auch einen tiefen Schluck aus seinem Weinbecher. »Wahnsinn und Schmerzen trieben sie in die Arme des Teufels, so dass sie in die Donau ging und dort ihrem Leben ein Ende setzte.«
»Das arme Ding.« Michael grinste. »Was sagt Cilli dazu? Sie gehörte schließlich zu seinem Gefolge.«
Gábor lächelte. Michaels zwangloses Verhör störte ihn nicht. »Er knirscht mit den Zähnen. Ihr Tod wird ihn aber nicht lange beschäftigen. Sie war mittellos, das Kind seines verarmten Halbbruders, und war ihm nur insoweit von Nutzen, dass sie die Gefährtin seiner Tochter war. Er hoffte wohl, sie irgendwann mit einem seiner Ritter verheiraten zu können, und hielt sie bis dahin in seiner Grafschaft unter Verschluss. Graf Hunyadi weilt noch bei ihm am Hof des Königs, er wird ihn schon besänftigen.«
»Glaubst du? Wenn einer es schafft, Cillis Laune noch tiefer sinken zu lassen, dann mein Schwager.« Michael grinste noch breiter. »Was weiß das Mädchen bis jetzt?«
»Sie weiß nur, dass sie als tot gilt und nicht zurückkann.« Gábor wurde ernst. »Sie darf nichts von der Prophezeiung erfahren.« Er sah Michael streng in die blauen Augen. »Auch von dir nicht. Erst muss sie lernen, ihre neuen Kräfte zu beherrschen. Wenn sie dann dem Bund und uns vertraut, sehen wir weiter.«
»Deine Entscheidung«, erwiderte Michael und zuckte betont gleichgültig die Schultern. »Solange sie nicht von Cillis Spitzeln entdeckt wird.«
»Du erkennst seine Spitzel so gut wie ich. Wenn einer hier auftaucht, werden wir ihn nicht aus den Augen lassen«, erwiderte Gábor. Er hatte bereits darüber nachgedacht. »Es ist jedoch mehr als unwahrscheinlich, dass einer von ihnen das Mädchen erkennt, so abgeschottet, wie sie in der Steiermark unter der Obhut der Gräfin Cilli gelebt hat. In den österreichischen Gestaden gibt es, wie du weißt, viele blonde Frauen, und ich gebe sie als die Tochter eines verstorbenen Kampfgefährten aus Kärnten aus. Sie wird nicht weiter auffallen.«
»Blond ist sie also, dein neues Mündel.« Michael schnalzte mit der Zunge. »Wie ist sie sonst so?«
Gábor überlegte. »Sie hat Angst, aber darüber hinaus scheint sie recht klug zu sein. Ich denke, dass sie bald lernen wird, mit ihrer neuen Rolle umzugehen.«
»Nein, du braver Mönch«, lachte Michael. »Ich meinte natürlich, wie sieht sie aus?«
»Ihr Aussehen?« Gábor stutzte, was Michaels Lachen noch lauter erschallen ließ. Er amüsierte sich jedoch aus den falschen Gründen. Gábor war sich durchaus im Klaren darüber gewesen, worum es seinem lüsternen Gegenüber ging. Was ihn zögern ließ, war die Tatsache, dass ihm Veronikas Äußeres deutlicher vor Augen stand, als er zugeben mochte.
»Sie ist eine Schönheit«, sagte er schließlich.
Michaels Lachen wich Erstaunen. »Wenn du sie so nennst, bin ich begierig, sie kennenzulernen.«
»Finger weg von ihr. Sie steht unter meiner Verantwortung, vergiss das nicht. Und sie ist für Höheres bestimmt als für dein Bett.«
»Schon gut.« Michael hob beschwichtigend die Hände. In seinen Augen blitzte jedoch der Schalk. »Ich werde sie nicht anrühren. Trink noch einen Schluck Wein, du bist ja ganz außer dir. Ich lass dir etwas zum Essen bringen. Erzähl mir, wann mein Schwager wieder hier auftauchen will, um etwas gegen die Mohammedaner zu unternehmen.« Seine Miene wurde unvermittelt dunkel. »Novo Brdo haben sie schon, und bald werden sie auch an Belgrads Türschwelle kratzen.«
Mehrere Tage vergingen, in denen Gábor hauptsächlich im Auftrag des Grafen Hunyadi in der Stadt unterwegs war. Vom Sieg über Novo Brdo angestachelt, trieben zahlreiche türkische Truppen im Südwesten Serbiens ihr Unwesen, ohne dass die Besatzungen der serbischen Grenzfestungen viel gegen sie
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