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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Kreatur unterworfen zu sein.« Sie schluckte. Gebannt sah er sie an. Und wie ein Licht kehrte das Himmelgrau in ihre Augen zurück. »Doch ich weiß jetzt, dass ich leben will, egal was noch auf mich zukommt!«

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    5 . Kapitel
    Belgrad, November 1455
    H eute Nacht hatte es das erste Mal geschneit. Der weiche Flaum sprenkelte die Schieferdächer, glitzerte an den Eisrändern der beiden Flüsse Donau und Save und übertünchte den Unrat auf den Straßen mit seinem unschuldigen Weiß. Die Glocken der Kathedrale schlugen die erste Morgenstunde, und die Festungsstadt erwachte aus ihrem Schlaf. Das trübe Grau des Novemberhimmels erinnerte Veronika an ein schmutziges Laken. Sie lehnte am Fenster und sah hinunter auf die Stadt. Der Atem stand in Wolken vor ihren Lippen, doch die Kälte störte sie kaum. Ein Schnürmantel aus der weichen Wolle böhmischer Schafe wärmte sie.
    Fast kam es ihr so vor, als hätte sie die letzten Monate kaum mit etwas anderem verbracht, als hier oben zu stehen und auf die Stadt zu schauen. Als würde sie auf etwas warten. Doch was war es nur?
    Unter ihr ertönten die Geräusche des anbrechenden Tages. Karren ratterten über das Pflaster, Bauern und Händler riefen sich derbe Sprüche zu. Sie hörte dumpfe Hammerschläge aus den Schmiedewerkstätten. Demnächst würden auch die Baumeister ans Werk gehen, italienische Architekten, deutsche Steinmetze und unzählige Moslemsklaven. Seit einigen Wochen hielt der Baulärm Belgrad tagsüber in Atem. Mauern wurden verstärkt, Gräben ausgehoben und Festungstürme gebaut. Wie lange die Arbeiter dem nahenden Winter wohl noch trotzen konnten? Graf Hunyadi weilte seit einigen Wochen in der Stadt und trieb sie gnadenlos an. Im nächsten Sommer rechnete er mit dem lang erwarteten Angriff der Türken. Gábor war jedoch nicht mit ihm zurückgekommen. Schnell verdrängte sie den Gedanken an ihn, denn sooft sie auch über den schweigsamen Mann nachdachte, sie wurde nicht schlau aus ihm. Deshalb wollte sie lieber gar nicht an ihn denken.
    Veronika lehnte sich aus dem Turmfenster hinaus und blickte auf die Häuser der Belgrader Unterstadt hinunter. Zwischen den Holzschindeln der Dächer ragten die Kuppeln der griechischen Kirchen und Klöster hervor. Aus dem fernen byzantinischen Reich stammte deren Baustil, hatte einer der Priester Veronika erklärt. Ihr waren die Kuppeln zuerst plump und hässlich erschienen, da sie die schlanken Kirchtürme ihrer Heimat vermisste. Doch nach ihren ersten Besuchen in der Stadt hatte sie erkannt, welche Kunstfertigkeit sich in den runden Bögen aus buntem Ziegelstein verbarg, und sie hatte sich für ihr erstes Urteil geschämt. Filigran ineinander verschlungen schienen die ornamentalen Mosaiken über die Kirchenmauern zu tanzen. Sie wurde es nicht müde, sie anzuschauen, und jedes Mal meinte sie neue Elemente und Botschaften in den komplexen Mustern zu entdecken.
    Auch die engen Gassen der Bürgerstadt mit all dem Lärm, dem Dreck und den Leuten verschiedenster Nationen hatte sie längst ins Herz geschlossen. Wer nicht alles in Belgrad lebte oder dort seinen Geschäften nachging! Sie hatte bereits Gesandte der Türken durch die Stadt reiten sehen, mit blitzenden Säbeln und schwarzen Schnurrbärten, die in fremdartigem Gegensatz zu ihren weißen Turbanen standen. Sie kannte jüdische Händler, die runde Kappen trugen und an deren Schläfen dunkle Locken baumelten. Jeden Morgen wurden riesige Ketten vom Hafenbecken an der Donau abgezogen, damit neue Schiffe voller Seeleute, Söldner und Kaufmänner anlegen konnten. Und an den Docks und an den Stadttoren erzählten verkrüppelte Bettler von den Kreuzzügen, als hätten sie das Kreuz Christi mit eigenen Augen gesehen.
    Belgrads Festung wurde Oberstadt genannt und thronte mehr als zwanzig Klafter über den Häusern. Die beiden Stadtteile waren nur durch einen einzigen Durchgang miteinander verbunden. Das Doppeltor war stets bewacht, und die hohen Mauern zu erklimmen war schier unmöglich. Zahlreiche Türme schmückten die Mauerkronen und die trutzige Burg, und in einem davon war Veronikas Kemenate untergebracht. Um die Burg herum scharten sich die Unterkünfte der niederen Ritter, außerdem Wirtschaftshallen, Waffenlager und Pferdeställe. Es gab zwei Kirchen aus rotem Ziegelstein, Gärten und Gästehäuser und einen großen Platz, der noch zu Zeiten des früheren serbischen Herrschers für Turniere genutzt worden war.
    Trotz der Privilegien, die Veronika in der Festung genoss,

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