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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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sie aufgeschreckt. Mit fahrigen Fingern strich sie über den Leinenrock, den sie trug. Gábor musterte sie unauffällig. Das grobe Linnen stand ihr gut, denn es betonte ihre Zartheit, und der schlichte Schnitt der Ärmeltunika ließ die sanften Linien ihrer Züge klar hervortreten. Er hob ruckartig sein Kinn. Es verunsicherte ihn, wie hübsch er sie in ihrer einfachen Kleidung fand. Vermutlich wurde es Zeit, dass sie wieder den Tand und Schmuck einer Adligen erhielt. Er selbst hielt nicht viel davon, doch vielleicht würde es ihr Mädchenherz erfreuen.
    »Wir reiten hinaus in die Wälder«, erwiderte er. »Es ist Zeit für Eure Verwandlung.«
    Sie seufzte. »Das habe ich befürchtet«, wisperte sie.
    Er verharrte. Ihre Antwort gefiel ihm nicht, zeugte sie doch davon, dass sie ihre neue Natur immer noch ablehnte. Er hatte ihr zu wenig Gelegenheit gegeben, mit ihm über all das zu sprechen, was mit ihr geschah. Damit hätte er ihr die Anfangszeit erleichtern können, dachte er mit Bedauern. Doch nun war es zu spät.
    »Ich reise morgen ab«, sagte er.
    Ihre Augen weiteten sich. »Wohin wollt Ihr?«
    »Zurück nach Buda. Mein Dienstherr braucht mich dort.« Er räusperte sich. Er mochte es nicht, sich erklären zu müssen, und der Blick aus ihren großen grauen Augen machte ihn nervös.
    »Und was wird aus mir?« Sie richtete sich auf und kreuzte die Arme vor ihrer Brust. »Ihr habt mir noch nicht erklärt, was Ihr weiterhin mit mir vorhabt.«
    »Ihr bleibt hier.« Er machte eine Geste, die sowohl das Gemach als auch Belgrad mit einschloss. »Wir haben bereits über Eure neue Identität gesprochen. Ihr wisst, welche Worte Ihr wählen müsst, wenn es um Eure Herkunft geht.« Er wartete, bis sie unmerklich nickte. »Michael Szilagyi, der Burghauptmann, wird sich um all Eure Belange kümmern«, setzte er hinzu. »Ich werde Euch morgen vor meiner Abreise vorstellen. Er ist ebenfalls ein Werwolf.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Er hat mich besucht.«
    Gábor biss die Zähne aufeinander. Michael hatte also nicht auf seine Erlaubnis gewartet, um sich mit ihr bekannt zu machen. Er hätte es sich denken können. Veronika schien seinen Ärger zu spüren, denn sie senkte den Blick.
    »Er war sehr höflich«, sagte sie leise. »Ich konnte sein Wolfsblut riechen, deshalb ließ ich ihn herein.«
    »Das war gut so.« Gábor bemühte sich um einen besänftigenden Tonfall. »Wendet Euch an ihn, wenn Ihr Fragen habt. Er wird sich um Euch auch in den Nächten Eurer Verwandlung kümmern. Ich werde ihm Geld geben, das zu Eurer Verfügung steht. Ihr könnt einen Tuchhändler bestellen und einen Schneider, der Euch neu einkleidet. Außerdem habe ich einen Lehrer für Euch ausgesucht, der Euch Ungarisch beibringen wird. Es wird Zeit, dass Ihr die Sprache Eures neuen Heimatlandes lernt.«
    »Heimatland«, wiederholte sie und wandte sich ab. Auf einmal verspürte er Mitleid mit ihr. Kurz fürchtete er, dass sie weinen würde. Doch als sie sich wieder umwandte, waren ihre Augen klar. »Ihr meint das wirklich ernst?« Sie stockte. »Ihr wollt, dass ich hier wohne wie eine Dame von Stand? Das entspricht kaum einem Leben als Gefangene.«
    Er schüttelte unwirsch den Kopf. Sie hielt ihn immer noch für ihren Feind. »Ihr seid keine Gefangene, sondern mein Mündel. Ich bin für Euch verantwortlich. Doch ich lasse Euch Freiheiten, vielleicht sogar mehr, als Ihr in Eurem früheren Leben hattet. Ich erwarte nur, dass Ihr klug genug seid, mein Vertrauen nicht zu missbrauchen.«
    Sie blinzelte, als wäre sie überrascht über seine Worte, doch sie erwiderte nichts. Er zwang sich, tief durchzuatmen. Nicht zu wissen, was sie dachte, gab ihm das Gefühl, auf rohen Eiern zu balancieren.
    »Es kam auch für Euch ungelegen, nicht wahr?«, fragte sie plötzlich. »Dass Euer Schüler mich gebissen hat. Ihr habt mich nicht aus Rachgier aus meinem Leben gerissen, sondern hierhergebracht, um meine neue Natur geheim zu halten. Ihr hättet mich auch töten können.« Sie verstummte und starrte ihn an.
    Ihre Frage war ihm unangenehm. Veronika ahnte nichts von ihrer Einzigartigkeit, und so sollte es vorerst auch bleiben. »Zieht Ihr etwa den Tod Eurem neuen Leben vor?«, fragte er mit harter Stimme zurück.
    »Nein!« Ihr Blick bohrte sich in seinen. Das sanfte Grau ihrer Augen verdunkelte sich, und plötzlich war es die Wölfin, die ihn aus den Tiefen ihrer Seele anstarrte. »Das dachte ich anfangs«, flüsterte sie. »Dass ich lieber den Tod wählen sollte, als der

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