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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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damit der kühle Abendwind die Sommerhitze aus dem Zimmer vertreiben konnte. Da das Haus der Hunyadis auf einem der höchsten Hügel der Königsstadt lag, konnte Veronika auf die Dächer hinabblicken, die sich wie ein breites Band aus Stein und Ziegel den Abhang hinunterzogen. Die heraufziehende Nacht hatte die Farben in ein fahles Grau verwandelt, nur unten in der Ebene glänzte silbern die Donau. Auf der anderen Seite des Flusses, wo sich das Dorf Pest befand, blinkten Lichter auf, wie Spiegelbilder der Sterne, die sich bereits vereinzelt am Himmel zeigten. Eine vage Sehnsucht schnürte Veronika den Hals zu. Wie gerne hätte sie sich einmal in der stolzen Stadt Buda umgesehen, von der sie schon so viel gehört hatte. Sie lehnte sich aus dem Fenster. Doch die stattlichen Mauern der Königsburg, die auf dem benachbarten Hügel thronte, konnte sie von hier aus trotzdem nicht sehen. Sie erspähte jedoch das wuchtige Schiff der Liebfrauenkirche, in der die ungarischen Könige gekrönt wurden. Und dort, der Schatten auf den glitzernden Wassern der Donau, war das nicht die Klosterinsel Margitsziget, benannt nach der heiligen Margareta? Elisabeths Mutter hatte ihnen auf der mehrwöchigen Reise nach Buda von der ungarischen Königstochter erzählt. Margareta hatte zurückgezogen auf der Insel im Orden der Dominikanerinnen gelebt und sich ganz der Pflege von Kranken gewidmet. Die Heilkunst der Nonnen dieses Klosters galt auch heute noch als vorbildlich. Veronika seufzte. Ihr eigenes Leben war weniger vorbildlich, doch wohl ebenfalls so eintönig wie das einer Nonne.
    Als hätte der Teufel nur darauf gewartet, sie zu verführen, raunte eine Stimme neben ihrem Ohr: »Lust auf ein Abenteuer?«
    Sie zuckte schuldbewusst zusammen. »Anka. Schleich dich nicht immer so an.«
    Anka war nur wenige Jahre älter als sie und vor zwei Jahren aus Semendria zu ihnen gestoßen. Sie war eine entfernte Verwandte von Elisabeths Mutter Katarina, der Tochter des serbischen Fürsten Brankovic. Wie diese sprach Anka mit einem groben slawischen Akzent. Er gab ihrem Wesen etwas Hartes, obwohl sie viel und gerne lachte. Sie drängte sich neben Veronika ans Fenster. »Die Gräfin hat sich zurückgezogen. Da ich ihr bei der Garderobe helfen muss, ist die Feier für mich ebenfalls vorbei.« Sie zog einen Schmollmund, doch dann grinste sie wieder. »Mein Bruder ist ganz in der Nähe.«
    Veronika nickte nur. Anka betete ihren Bruder an, der am Hof des ungarischen Königs Ladislaus hier in Buda diente.
    »Ich werde mich nachher mit ihm treffen«, sagte Anka.
    »Was?«, fuhr Veronika auf.
    Anka legte einen Finger auf die Lippen. »Sei still, sonst verrätst du mich noch. Ich wollte dich fragen, ob du mitkommen möchtest.«
    Wollte die wilde Anka, wie sie genannt wurde, sich wirklich heimlich aus dem Haus schleichen? Veronika traute ihr das zu, denn sie hatte die Serbin schon mehrmals bei Verstößen gegen die gräflichen Vorschriften ertappt. Auf der Burg der Cillis war es allerdings möglich, sich manches zu erlauben. Der Graf verweilte als Regent von Ungarn meist am Hof des jugendlichen Königs, seine Frau Katarina verließ dagegen ihren Burgflügel seit Jahren kaum mehr. Sie war eine fromme Anhängerin der griechischen Kirche und scheute die kritischen Blicke der steirischen Katholiken. Ihre Aufsicht über den Haushalt war so nachlässig, dass Veronika im Sommer zuweilen den Kirchgang versäumte, um sich in den Burggärten herumzutreiben. Gern stahl sie sich auch spätabends für einen Schwatz in die Küche und naschte von den kandierten Früchten. Dabei verhielt sie sich jedoch, wie sie meinte, wesentlich zurückhaltender als Anka, die sich lieber mit Männern herumtrieb als mit Küchenmägden. Sie zögerte, hin- und hergerissen zwischen Furcht und Neugier.
    »Komm schon«, drängte Anka ungeduldig. »Uns wird niemand erwischen. Sie sind alle damit beschäftigt, über ferne Kriege zu palavern. Willst du wirklich in Buda gewesen sein, ohne ein einziges Mal durch die Straßen zu laufen?«
    »Gut, ich komme mit.« Veronika war sich sicher, dass ihr Entschluss dumm war, doch sie konnte nicht anders. Wer wusste schon, wie lange die Stadt noch gegen die Feinde standhielt? Vielleicht war dies die letzte Gelegenheit, sie zu besichtigen.
    Ankas Augen blitzten. »Das wird lustig, du wirst schon sehen.« Sie sah sich nach Elisabeth um, die immer noch mit ihren Geschenken beschäftigt war und versonnen gähnte. »Die Kleine wird bald schlafen wollen. Wenn die

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