Mondherz
erreichte den Gang, der zum Saal und seinem Nebenzimmer führte, doch auf der anderen Seite führte eine Tür auf den gepflasterten Hinterhof. Aus der Richtung der Pferdeställe hörte sie die Knechte und Wachmänner grölen, die immer noch die Hochzeit feierten. Sie zögerte, doch dann wurde ihr klar, dass sie niemanden um Hilfe bitten konnte. Woher sollte sie wissen, wer ein Mitwisser der Hunyadis war oder gar zu den Teufelswesen selbst gehörte? Ihr war kalt vor Angst.
Sie schlich über den Hof, wobei sie sich so weit wie möglich von den Ställen entfernt hielt. Der Rest des Hauses lag in schweigendem Dunkel. Aus den Fensterluken des Küchengebäudes roch es nach der Kohle der Herdstellen, deren Glut nie ganz erlosch. Direkt daneben befand sich die Kapelle. Erst als Veronika nur noch wenige Schritte entfernt war, sah sie den schwachen Schein der Kerzen, der durch die Türritzen drang. Sie schob die schwere Holztür auf und trat hinein. Anton kniete vor dem Altar, das kahle Haupt bis zur Brust gesenkt.
»Pater Anton, Ihr müsst gehen, sofort«, rief Veronika. Ihre Sorge und Furcht machten sich in einem Schwall Worte Luft. »Mein Onkel und die Hunyadis wollen Euch umbringen lassen. Ich habe Euer Gespräch belauscht. Hunyadis Männer werden gleich hier sein!«
Mit einem Satz, den man ihm angesichts seiner Leibesfülle nicht zugetraut hätte, war Anton auf den Beinen. Sein Gesicht war so blass wie die Wand. Doch anstatt auf Veronikas Worte zu reagieren, starrte er sie nur an. Warum zögerte er? Sie hastete zu ihm und ergriff seinen Arm. Sonst hätte sie dies nie getan, doch nun war keine Zeit für höfischen Anstand. »Flieht, jetzt!«
»Ich … aber … woher soll denn …«, stammelte der Geistliche. Doch plötzlich kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück. »Frau Veronika, Ihr wisst gar nicht, in welch finstere Geschichte Ihr da geraten seid.«
Sie schüttelte den Kopf und wollte zu einer Antwort ansetzen, da hörte sie vom Hof draußen Schritte. Auch Anton hatte sie gehört. Seine Augen wurden groß vor Bestürzung.
»Es ist zu spät, versteckt Euch!«, flüsterte er. Er riss sich von ihr los und schubste sie nach vorne. »Der Altar«, formten seine Lippen lautlos. Veronika sprang mit der Kraft der Todesangst nach vorn und ließ sich hinter den Altarstein fallen. Gleich darauf hörte sie die schwere Holztür knarren.
»Pater Anton?«, fragte eine Männerstimme mit weichem Akzent.
»Ja.« Der Priester sagte dieses einfache Wort mit Grabesstimme. Veronika wagte nicht zu atmen.
»Ich sehe, Ihr wisst, warum wir hier sind.« Der Mann sprach ruhig und bestimmt.
»Ihr wollt mich töten, in einem gottgeweihten Haus?«
»Ein anderer Ort wäre mir lieber, Pater.« In der Stimme des Sprechers schien tatsächlich Bedauern mitzuschwingen. »Doch es geht nicht anders.«
»Ihr Bestien, ich weiß, was ihr seid«, schrie Anton auf. »Tiere des Teufels, direkt der Hölle entstiegen.«
»Halt dein Maul, Kuttenträger«, mischte sich nun eine andere Stimme ein, heller als die erste und sehr viel aufgebrachter. »Pfaffen wie du, ihr verbrennt Unschuldige zu Dutzenden.«
»Teufelsknecht, du beleidigst einen Mann Gottes!«
»Dafür hältst du dich vielleicht!« In der hellen Stimme schwang kalte Wut. »Aber ich weiß es besser. Du hast es nicht verdient, einen schnellen Tod zu sterben. Du solltest leiden, so wie du uns in den Händen der Inquisition leiden lassen wolltest!«
»Dann zeig mir doch deine wahre Natur, dämonische Kreatur«, rief Anton. »Ich habe keine Angst.« Doch seine Stimme zitterte.
»Miklos, halt dich zurück«, sagte der erste von Hunyadis Männern, der während des Wortgefechts still geblieben war. »Du hast keine persönliche Fehde mit ihm.«
Der Pater begann auf Lateinisch zu beten.
»Miklos, nicht!«, rief der Mann aus, und seine dunkle Stimme klang überrascht. »Nicht auf diese Weise!«
Jemand keuchte. Unter das angstvolle Gemurmel des Paters mischte sich ein anderes, tieferes Geräusch, ein Belfern und Knurren, das vielfach gebrochen von den Kapellenwänden zurückhallte.
Es klang fremder als alles, was Veronika jemals gehört hatte, und es war eindeutig nicht menschlich. Sie krümmte sich vor Entsetzen und konnte doch nicht anders, als gebannt zu lauschen. Stoff zerriss, ein Krachen ertönte, wie wenn ein schwerer Leib sich auf dem Stein hin- und herwarf. Antons Gebet wich einem Wimmern, das Veronika das Herz in der Brust erstarren ließ. Sie stopfte sich eine Faust in den Mund, um
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