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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Wams wies ihn als Hofbeamten des ungarischen Königs aus.
    Veronika dankte ihm und bemühte sich, tief durchzuatmen. Nur allmählich klärten sich ihre Gedanken wieder, ebbte die Panik ab. Sie hatten die Nachricht einer verlorenen Schlacht in Serbien erhalten, nicht mehr und nicht weniger. Vom Strom der Menschen ließ sie sich aus der stickigen Kapelle schieben, hinaus in den sonnigen Hinterhof.
     
    »Veronika, sieh nur, wie schön er ist«, rief Elisabeth wenige Stunden später aus. Sie hob den fein gearbeiteten Handspiegel hoch in die Luft, so dass ihre Cousine sich darin sehen konnte. Veronika blickte in ein Gesicht, das umrahmt war von zerzausten hellblonden Locken. Ihre taubengrauen Augen verengten sich, als sie die Sommersprossen auf ihren Wangen musterte. Die Sonne brannte hier in Ungarn stärker als über den steiermärkischen Alpen. Unter der frisch gewonnenen Bräune waren ihre Wangen allerdings blass.
    »Ein edles Geschenk«, murmelte sie.
    »Das stimmt!« Elisabeths Augen glänzten wieder, seit sie das Festmahl verlassen hatten. Die frischgebackene Ehefrau räkelte sich auf dem Bett in den großzügigen Gemächern, die ihr im Stadthaus der Hunyadis zugewiesen worden waren, und packte ihre Hochzeitsgeschenke aus. Im Stockwerk unter ihnen war das Fest noch im Gange, doch Elisabeth hatte bereits kurz nach dem Abendessen über Erschöpfung geklagt und die Erlaubnis erhalten, sich mit Veronika zurückzuziehen.
    Veronika war erleichtert, dass sich Elisabeth so schnell von den Strapazen der Hochzeit erholt hatte. Nur zwei Jahre jünger war sie als Veronika, und doch erschien sie der Älteren manchmal wie ein Kind. Vielleicht, weil sich Elisabeth so schwer damit tat, mit der erwachsenen Welt zurechtzukommen. Noch nie war das Nachdenken ihre Stärke gewesen, und manchmal schien es so, als würde sie im Geiste immer ein kleines Mädchen bleiben. Es war ein Glück, dass die Ehe zwischen ihr und Mathias Hunyadi erst in einigen Jahren wirklich vollzogen werden sollte.
    Auch der türkische Sieg über Novo Brdo schien Elisabeth nicht mehr allzu sehr zuzusetzen, seit sich die erste Panik der Hochzeitsgäste gelegt hatte. Einer der Ritter hatte den Mädchen erklärt, dass die Gefahr für Buda gering war, denn die serbische Handelsstadt lag viele Tagesritte von hier entfernt. Veronika hatte jedoch die Besorgnis in seinen Augen gesehen. Sie hatte während des Hochzeitmahls auch die ernsten Mienen der anderen Männer kaum aus den Augen lassen können. Ihr Onkel Cilli war noch am gelassensten gewesen, doch der Feldherr Hunyadi schien von der schlechten Nachricht betroffen zu sein. Veronika verstand nichts vom Kriegshandwerk der Männer und hatte sich bisher auch kaum dafür interessiert. Doch nun wünschte sie, sie wüsste mehr darüber. Serbien war weit weg, aber es grenzte an Ungarn. Wie lange mochte es dauern, bis das Heer des Sultans gegen Buda marschierte?
    Unruhig lauschte sie den Geräuschen des Festes, die gedämpft zu ihnen heraufdrangen. Nach Feiern war ihr nicht zumute, doch sie hätte gern den Gesprächen der Ritter zugehört, die gewiss weiterhin über die Niederlage von Novo Brdo debattierten. Sie schüttelte den Kopf. Es war Zeit, ihre trübe Stimmung zu vertreiben.
    »Ob deine Gemächer in Temeschburg auch so schön wie diese sein werden?« fragte sie Elisabeth. Die Jüngere reagierte jedoch nicht, zu vertieft kramte sie in einem Schmuckkästchen.
    Veronika erhob sich und schritt durch den Raum, der von Öllampen in gelblichen Schein getaucht wurde. Die Zimmer waren geräumig und mit einem Kamin ausgestattet, die Wände mit edlen Tapisserien bedeckt. Rings an den Wänden und um den Ofen standen geschnitzte Bänke, auf denen sich seidene Kissen türmten. Auch silberner Zierat und das bleigefasste Butzenglas der Fenster zeugten vom Wohlstand der Hunyadis. Veronika hatte gehört, dass sie weit mehr Ländereien als die österreichischen Cillis besaßen. Graf Hunyadi als oberster Feldherr Ungarns verfügte sogar über ein eigenes Heer aus bezahlten Kriegsknechten, die ihn bestimmt ein Vermögen kosteten. Allerdings reichte sein Stammbaum nicht einmal drei Generationen zurück. Veronika verzog den Mund.
Bauerntrampel,
hatte ihn ihr Onkel einmal genannt. Die Cillis konnten auf eine Ahnengeschichte zurückblicken, die bis zum Geschlecht der Ottonen reichte, den ersten Königen des Heiligen Römischen Reiches.
    Sie trat ans Fenster und blickte hinaus ins schwindende Licht der Dämmerung. Die Fenster waren noch offen,

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