Mondherz
schlug es wieder laut und froh. »Du bist im Hospital. Eine Kanonenkugel hätte dich fast erwischt, erinnerst du dich?«
Miklos’ Blick irrte unruhig hin und her, doch er unternahm keinen weiteren Versuch, sich aufzurichten.
»Ich glaube schon«, sagte er zögernd. Er griff sich erneut an die Stirn. »Der Teufel soll die Türken holen!«
»Lass das Fluchen lieber sein«, entgegnete sie. »Wir können Gott danken, dass du noch lebst.«
»Du hast wohl recht«, murmelte er unbeteiligt. Seine Finger scharrten heftig über den Verband. Die Salbe juckte offenbar unerträglich, denn er verzog das Gesicht zu einer finsteren Grimasse. Wieder versuchte er, sich in eine sitzende Position aufzurichten, und dieses Mal glückte es ihm. Ausatmend lehnte er sich gegen die Wand.
»Ich bin zäher, als du glaubst«, brummte er, als er Veronikas Miene sah. »Gab es einen weiteren Angriff?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nur kleinere Scharmützel. Die Mauer hat kaum Schaden genommen.« Sie sah die Erleichterung in Miklos’ Blick, doch dann dachte sie wieder an den toten Ritter. Sie sah sich im Refektorium um. Ihr Herz wurde schwer. »So viele Verletzte, und es werden mit jedem Tag mehr. Wie lange können wir so noch standhalten?« Sie seufzte. »Ich wünschte, Graf Hunyadi würde endlich kommen. Und Gábor. Manchmal fürchte ich, sie lassen uns im Stich.«
»Das glaubst du nicht!« Miklos funkelte sie an. »Gábor tut alles, um uns beizustehen. Er ist auf dem Weg hierher.«
Veronika spürte den Aufruhr, in den ihn ihr Zweifel versetzt hatte. Sie packte erneut seine Hand. »Warum vertraust du Gábor so sehr?« Sie wusste, dass diese Frage Miklos’ Empörung noch verstärken konnte, doch sie musste es einfach wissen. Zu ihrem Erstaunen blieb er ruhig, drückte nur ihre Finger fest in seiner klobigen Hand. Seine blauen Augen leuchteten in dem von Narben zerrissenen Gesicht. Er liebte und achtete seinen Lehrer, das wusste sie, und diese Liebe ließ seinen Blick wie im Fieber glänzen.
»Weil er mein Leben gerettet hat.«
»Wie hat er das getan?«
Er zögerte erst, doch als sie seine Finger drückte, so wie er es eben noch getan hatte, wandte er sich ihr zu. »Was weißt du über die Hussiten?«
Sie runzelte die Stirn. »Sie sind böhmische Ketzer. Kaiser Sigismund hat ihren Gründer Jan Hus verbrennen lassen. Gegen den Papst haben sie gehetzt und die Bauern aufgewiegelt, bis ein Kreuzfahrerheer es geschafft hat, sie zu besiegen.«
»Gänzlich besiegt wurden sie nie«, entgegnete Miklos. »Doch viele wurden damals verbrannt oder gefoltert, weil sie von ihrem Glauben nicht abgewichen sind.«
Veronika ahnte, wie es weitergehen würde. »Du hattest mit ihnen zu tun!«
Miklos nickte. »Mein Vater war ein böhmischer Bauer, der sich mit seinen Brüdern den Hussiten anschloss. Als ich geboren wurde, waren die Kämpfe schon fast vorbei. Manche Hussitengruppen waren in den Schoß der päpstlichen Kirche zurückgekehrt, andere, so wie die Gruppe, der meine Eltern angehörten, wollten nicht von ihrem Glauben abweichen. Wir waren nur noch wenige, aber wir wurden von den päpstlichen Truppen und sogar unseren alten Glaubensbrüdern verfolgt. Also lebten wir in den Wäldern und blieben selten lange an einem Ort.« Seine Stimme verlor sich in den Erinnerungen.
Veronika starrte ihn an. Sie hatte nie etwas Gutes über die Hussiten gehört, doch Miklos war ihr Freund. Sie versuchte, sich seine Kindheit vorzustellen. Immer war seine Familie auf der Flucht gewesen, jeder konnte ein Verräter sein.
»Viele Leute verstanden uns nicht«, murmelte er. »Doch meine Eltern wollten keinen Papst anerkennen, der nicht mehr Petrus auf Erden vertrat, sondern wie ein weltlicher Herrscher regierte. Rom war für sie ein Sündenpfuhl, voller Gesindel und machtgieriger Söldner. So zogen sie meine Schwester und mich auf der Flucht auf.« Seine blauen Augen verschleierten sich. »Eines Tages verletzte sich meine Mutter, als sie am Waldrand in eine Tierfalle geriet. Wenige Wochen später starb sie am Wundfieber. Danach zog sich mein Vater oft allein in den Wald zurück, um zu beten.« Er atmete tief durch. »Einige Monate später traf er dabei auf Gábor. Soldaten verfolgten ihn, und fast hätten sie ihn erwischt, doch mein Vater versteckte ihn. ›Wer vor meinen Feinden flieht, ist mein Freund‹, pflegte er zu sagen.«
»Warum haben sie Gábor verfolgt?«
Das erste Mal in diesem Gespräch zögerte Miklos. »Es ging um eine Frau«, sagte er schließlich, und
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